Deutschland wartet auf eine neue Regierung – die Facharbeit im Parlament kann aber nicht liegen bleiben. Deshalb sollen vorläufige Ausschüsse eingesetzt werden. Das könnte zu einem heftigen Wettbewerb unter den Parlamentariern führen.

Berlin - Der Bundestag wartet nicht länger darauf, bis sich eine Regierung gebildet hat. Nach Informationen unserer Zeitung verständigten sich die Fraktionen darauf, dass die Bundestagsabgeordneten Ende Januar die Arbeit in den regulären Ausschüssen aufnehmen. „Das ist auch eine Frage des Selbstbewusstseins des Parlaments“, sagte Florian Toncar, Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion. Nach dem Willen der Fraktionen sollen die 23 Ausschüsse, die in der letzten Wahlperiode gebildet worden sind, vorläufig wieder eingesetzt werden. Damit nehmen beispielsweise der Haushalts-, der Verteidigungs- oder der Europaausschuss ihre Arbeit auf. Die Bundestagsabgeordneten haben darauf lange gewartet. Sie können bald in ihren Fachgebieten loslegen. Vor allem die neuen Parlamentarier, die erstmals im Bundestag sitzen, warten gespannt darauf, in welchem Ausschuss sie künftig tätig sind.

 

Bundestag beseitigt ein Provisorium

Die Fraktionen beseitigen mit dieser Entscheidung ein Provisorium. Nach der Wahl fiel die Entscheidung, die Regierungsbildung abzuwarten, bevor die Ausschüsse bestimmt werden. Zunächst wurde ein sogenannter Hauptausschuss eingerichtet, in dem alle Anträge für das Parlament besprochen werden. Da dort alle Themen behandelt werden, steht für Beratungen nicht viel Zeit zur Verfügung. Es war klar, dass es sich dabei nur um ein Übergangsmodell handelt. „Der Bundestag kann auf die Ausschüsse auf Dauer nicht verzichten“, sagte der FDP-Abgeordnete Toncar. Das Parlament stellt sich mit der Normalisierung auch darauf ein, dass sich die Regierungsbildung einige Zeit hinziehen kann. Abgeordnete hatten in den vergangenen Wochen bemängelt, dass ein monatelanger Stopp der Ausschussarbeit nicht hinnehmbar sei.

Die Entscheidung wird von allen Fraktionen unterstützt. „Auch wenn es nur eine geschäftsführende Bundesregierung gibt, muss der Bundestag nun seine volle Arbeitsfähigkeit herstellen“, sagte Carsten Schneider, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion. Die SPD trete dafür ein, dass die Ausschüsse schnell eingerichtet werden. Den Anfang macht der Ältestenrat, der über den Arbeitsablauf im Parlament entscheidet. Der Ältestenrat trat am Mittwoch zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen.

Einsetzung soll Mitte Januar beschlossen werden

In der Sitzungswoche vom 15. Januar 2018 will der Bundestag die Einsetzung der weiteren Ausschüsse beschließen. In der darauf folgenden Sitzungswoche, vom 30. Januar an, sollen die Ausschüsse zum ersten Mal tagen. Nach Toncars Worten werde damit ein Schwebezustand beseitigt. Die Frage, wer in welchem Ausschuss sitzt, wird erst im neuen Jahr beantwortet. Weil die Zahl der Bundestagsabgeordneten auf 709 gestiegen ist, dürften die Ausschüsse größer werden. Die Fraktionen wollen sich darüber bis zum Jahresbeginn einigen. Bliebe es bei der bisherigen Mitgliederzahl, stünden einige Abgeordnete ohne Ausschuss da. Besonders beliebt sind klassischen Ausschüsse wie der Haushaltsausschuss, der Auswärtige Ausschuss oder der Innenausschuss. Der Zuschnitt der Ausschüsse bleibt vorläufig: Erst wenn die Regierung steht, sollen die Aufgaben im Parlament festgelegt werden. Die Bildung der Ausschüsse orientiert sich an den Zuständigkeiten der Ministerien. Verständigt sich eine neue Regierung auf eine neue Aufteilung der Ministerien, spiegelt sich das auch in den Ausschüssen wider.

Auch die personelle Besetzung wird im Januar zunächst provisorisch erfolgen. Da es möglich ist, dass Ausschussmitglieder bei einer späteren Regierungsbildung zu Ministern oder Staatssekretären ernannt werden, ist die Auswahl dieses Mal nicht einfach. In der Vergangenheit wurden mit einflussreichen Ausschussposten Parlamentarier belohnt, die bei einer Regierungsbildung nicht zum Zuge kamen. Dieses Mal dreht sich das Vergabeverfahren um. Bewerber könnten versucht sein, sich vor der Regierungsbildung in aussichtsreiche Positionen zu bringen. Der Wettbewerb um die begehrten Posten ist in den Fraktionen jedenfalls schon längst entbrannt.