Er gilt auch in den eigenen Reihen als unbequem: Trotzdem - oder vielleicht gerade deswegen - wird Bundestagspräsident Lammert mit seinem besten Ergebnis wiedergewählt. Er sieht das als „Ermutigung und Verpflichtung“.

Berlin - Der CDU-Politiker Norbert Lammert ist mit einem Rekordergebnis von fast 95 Prozent als Bundestagspräsident bestätigt worden. Es ist die dritte Amtszeit des 64-Jährigen als protokollarisch zweiter Mann im Staat - er steht dem Parlament seit 2005 vor. 30 Tage nach der Wahl votierten am Dienstag in der konstituierenden Sitzung des Bundestages 591 der 625 anwesenden Abgeordneten für Lammert. Es gab 26 Nein-Stimmen und 8 Enthaltungen. Lammert zeigte sich beeindruckt von dem Votum und sagte, er sehe dies als „Ermutigung und Verpflichtung“.

 

Dem neuen Bundestag gehören 631 Abgeordnete an. Mit einer Zustimmung von 94,6 Prozent in der geheimen Abstimmung erzielte Lammert sein bisher bestes Ergebnis. Bei seiner ersten Wahl 2005 waren es 91,9 Prozent, 2009 waren es 84,6 Prozent.

Ausdrücklich schloss Lammert in seinen Dankesworten die eigene CDU/CSU-Fraktion mit ein. Sie habe ihn erneut nominiert, „obwohl sie weiß, dass mein Verständnis von diesem Amt nicht immer Begeisterung hervorruft“. Als Bundestagspräsident hatte er sich wiederholt kritisch zu Entscheidungen auch der eigenen Fraktion geäußert.

Lammert mahnte die Abgeordneten, ihre Rechte wie Pflichten gleichermaßen ernsthaft wahrzunehmen. „Wir sind alle gewählt, nicht gesalbt.“ Die Parlamentarier seien laut Verfassung nur ihrem Gewissen verpflichtet und an Weisungen und Aufträge nicht gebunden.

Der Bundestagspräsident kündigte an, dass sich das Parlament erneut mit dem neu gefassten Wahlrecht beschäftigen müsse. Die befürchtete erhebliche Ausweitung der Mandatszahl habe zwar nicht stattgefunden. Gleichwohl hätten vier Überhangmandate zu 29 Ausgleichsmandaten geführt. Bei einem knapperen Wahlergebnis könne diese Zahl erheblich anwachsen.

Lammert wird künftig von sechs Vizepräsidenten vertreten

Lammert wird künftig von sechs Vizepräsidenten vertreten. Die Opposition kritisierte massiv die Abmachung von Union und SPD, jeweils zwei Vizepräsidenten zu stellen.

Der Bundestag billigte die Geschäftsordnung und bestätigte die Verhaltensregeln für Parlamentarier. Die Grünen kündigten einen Antrag an, nach dem der Bundestag im Fall einer großen Koalition die Minderheitenrechte der Opposition stärken soll.

Lammert sagte, bei einem schwarz-roten Bündnis müsse geklärt werden, ob die Geschäftsordnung und gesetzliche Regelungen zur Gewährleistung der Minderheitenrechte angepasst werden müssten. Alle Fraktionen hätten grundsätzlich Bereitschaft dazu erklärt. Lammert fügte hinzu: „Klare Wahlergebnisse sind nicht von vorneherein verfassungswidrig. Große Mehrheiten auch nicht.“

Hintergrund ist, dass die Oppositionsfraktionen von Linken und Grünen gemeinsam gegen eine große Koalition nach derzeitigen Regeln wenig Rechte hätten. Sie haben nur noch 20 Prozent der Sitze im Bundestag. Das Grundgesetz schreibt aber vor, dass beispielsweise für das Einsetzen eines Untersuchungsausschusses 25 Prozent der Stimmen notwendig sind. Die Linke fordert eine Verfassungsänderung.

Als ältester Abgeordneten im Parlament hatte der CDU-Politiker Heinz Riesenhuber (77) die erste Sitzung des neuen Bundestages eröffnet. In seiner teils launigen, teils nachdenklichen Eröffnungsrede verwies Riesenhuber darauf, dass die FDP dem neuen Bundestag erstmals seit Gründung der Bundesrepublik nicht mehr angehört. Er dankte den ausscheidenden FDP-Abgeordneten für ihre Arbeit zum Wohl der Demokratie.

Vor der konstituierenden Sitzung des Parlaments hatten viele Abgeordnete an einem ökumenischen Gottesdienst in der Berliner St. Hedwigskathedrale teilgenommen. Neben Lammert und Riesenhuber waren unter anderem Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier anwesend.