Der Online-Handel boomt – und mit ihm das Geschäft der Paketdienste. Doch die Zusteller arbeiten zum Teil unter katastrophalen Bedingungen. Kritiker sprechen sogar von „mafiösen Strukturen“ in der Branche. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will jetzt für einen fairen Wettbewerb sorgen.

Berlin - Der Online-Handel in Deutschland wächst mit Riesenschritten – sehr zur Freude von Paketdiensten. Bei den Zustellfirmen herrschen aber zum Teil katastrophale Bedingungen. Dagegen will der Gesetzgeber vorgehen: Am Donnerstag beschloss der Bundestag mit den Stimmen von Union, SPD, Linken und Grünen ein Gesetz, mit dem Paketboten gegen Ausbeutung geschützt werden sollen. Darum geht es.

 

Was genau läuft schief in der Paketbranche?

Das Geschäft der Zustellfirmen boomt, allerdings ist der Preiswettbewerb auch enorm. Sie setzen häufig Subunternehmer ein, die dann ihrerseits Aufträge an weitere Dienstleister weiterreichen. Bei den sogenannten Nachunternehmern kommt es immer wieder zu Unregelmäßigkeiten: Den Paketfahrern wird der Mindestlohn vorenthalten, oft führen die Arbeitgeber keine Sozialabgaben ab. Der damalige Verdi-Chef Frank Bsirske beklagte, dass sich in der Branche zum Teil mafiöse Strukturen etabliert hätten. Unternehmen wie Hermes engagieren Firmen, die wiederum andere Firmen beauftragen, die dann Menschen aus der Ukraine oder Moldawien in die Lieferfahrzeuge setzen. Viele hätten gefälschte Pässe. Zum Teil würden Stundenlöhne von 4,50 oder sechs Euro bezahlt, bei Arbeitszeiten von bis zu 16 Stunden pro Tag. Hermes erklärte daraufhin, das Unternehmen lasse sich von seinen Subfirmen versichern, dass alles mit rechten Dingen zugehe.

Was hat der Bundestag nun beschlossen?

Der Bundestag hat einem Gesetzentwurf aus dem Hause von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zugestimmt, womit das Sozialgesetzbuch ergänzt wird. Wie in der Baubranche und der Fleischwirtschaft soll es künftig auch bei Kurier-, Express- und Paketdiensten eine sogenannte Nachunternehmerhaftung geben. Große Zustellfirmen werden damit verpflichtet, Sozialabgaben auch dann zu übernehmen, wenn der Zusteller bei einem Subunternehmen beschäftigt ist, dieses die Abgaben aber nicht ordnungsgemäß abführt. Minister Heil hatte mit seiner Initiative eine Anregung der Gewerkschaften aufgegriffen. Aus der Union gab es anfangs Widerstand: So argumentierte etwa Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), dass jetzt nicht die Zeit für neue Belastungen für Unternehmen sei. Im Mai einigte die Koalition dann allerdings auf ein gemeinsames Vorgehen. Sie beschloss zugleich, den Bürokratie-Aufwand und damit die Kosten der Wirtschaft an anderen Stellen zu reduzieren.

Hat der Bundestag gegenüber dem ursprünglichen Entwurf Änderungen vorgenommen?

Ja, aber das ändert nichts an der grundlegenden Stoßrichtung des Gesetzes. Das Parlament präzisierte, dass Speditionsunternehmen von der Neuregelung ausgenommen werden sollen. Diese befördern häufig sperrige Güter wie Kühlschränke, Waschmaschinen oder Möbel. Bei den Paketdiensten geht es hingegen in der Regel um Sendungen, die maximal rund 30 Kilogramm wiegen. Eine Zustimmung des Bundesrats zu dem Gesetz ist nicht notwendig.

Was bedeutet die Reform für die Paketdienste?

Sie werden in Zukunft genau kontrollieren müssen, ob alle beteiligten Subunternehmen auch tatsächlich die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen einhalten. Ist das nicht der Fall und fliegen die Missstände bei Razzien der Behörden auf, kann das für die Paketdienste sehr teuer werden. Die Kontrolle der Subunternehmen durch die Auftraggeber bedeutet einen erheblichen bürokratischen Aufwand. Allerdings können die Firmen auch durch unabhängige Stellen vorab geprüft und lizenziert werden. Dieses Verfahren, das sich in anderen Branchen bewährt hat, verringert den Aufwand. Er wird für die einzelnen Paketdienste ohnehin unterschiedlich ausfallen: Marktführer DHL lässt nach eigenen Angaben fast alle Pakete von eigenen Fahrern ausliefern. Auch UPS beschäftigt viele eigene Boten, DPD arbeitet hingegen nur mit selbstständigen Auftragnehmern zusammen. Nach dem Willen von Arbeitsminister Heil soll das neue Gesetz nicht nur mehr sozialen Schutz für die Fahrer bringen, sondern auch einen fairen Wettbewerb zwischen den Anbietern. Die Branche beschäftigte nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr rund 240 000 Menschen und transportierte mehr als 3,5 Milliarden Pakete.