Der Wissenschaftliche Dienst des Berliner Parlaments hält den Ausstieg aus Stuttgart 21 für machbar.

Stuttgart - Die Juristen des Bundestages halten eine Volksabstimmung und den Ausstieg aus dem Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 rechtlich für möglich. Damit widersprechen sie der Auffassung der baden-württembergischen Landesregierung, die einen Abschied von dem Großprojekt für unzulässig hält.

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages kommt zum Schluss, dass ein einseitiger Ausstieg von Seiten der Landesregierung nicht gegen bundesrechtliche Bindungen verstoße. Die Experten sehen auch keine rechtlichen Hürden, durch eine Volksabstimmung ein Gesetz über den Ausstieg aus dem Projekt Stuttgart 21 auf den Weg zu bringen.Dieses Gesetz müsse zugleich die Entschädigung der Vertragspartner regeln.

Allerdings schränken die Juristen des Bundestages ein, dass sie wegen der Kürze der Zeit nur eine kursorische Prüfung vorgenommen hätten. Die Prüfung erstrecke sich auch nicht auf die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm. In ihrer Stellungnahme kommen die Juristen des Parlaments zum Schluss, dass die Verträge zum Bau des Bahnhofs nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz kündbar seien.

Sachverständige: Kein Hinderungsgrund für Volksentscheid


"Sollten ein Festhalten an dem Vorhaben den Frieden in der Region nachhaltig stören und das Vertrauen der Bevölkerung in den Staat und seine Institutionen bleibend beschädigen, könnte eine Kündigung des Vertrages in Betracht kommen", heißt es in der 20-seitigen Expertise.

Die Juristen geben der Kündigung dann Chancen, sollte die Geschäftsgrundlage für den Abschluss des Finanzierungsvertrages entfallen sein. Dieser Rechtsgrundsatz könne vertraglich nicht abbedungen werden. Dabei komme es auf die Einschätzung an, ob tatsächlich die breite Mehrheit der Bevölkerung das Bauvorhaben in einem Ausmaß ablehnt, dass eine Fortsetzung der Arbeiten den Frieden in der Region stören würde, heißt es in dem Gutachten.



Die Sachverständigen des Parlaments sehen auch keine Hinderungsgründe für einen Volksentscheid. Die Landesverfassung sehe vor, dass Gesetze vom Landtag oder durch Volksabstimmungen beschlossen werden können. Somit sei es denkbar, ein Gesetz zu verabschieden, das die Grundentscheidung zum Ausstieg aus dem Projekt Stuttgart 21 trifft.

Volksentscheid untergraben Haushaltsverantwortung nicht


Dieses Gesetz könne auch die Landesregierung zur Kündigung des Finanzierungsvertrages und zur Entschädigung der anderen Vertragspartner verpflichten. Solche Gesetze zur Beendigung von Vorhaben seien nicht ungewöhnlich, schreiben die Bundestagsjuristen weiter. Sie verweisen auf ein Gesetz aus dem Jahr 2001, mit dem der Transrapid im Emsland gestoppt wurde.

Die Bedenken der Gutachter Kirchhof und Dolde, die vom Land beauftragt worden sind, teilen die Bundestagsjuristen nicht. Kirchhof und Dolde vertreten die Auffassung, Haushaltsfragen könnten nicht Gegenstand von landesweiten Volksentscheiden sein. Die Bundestagsjuristen argumentieren, durch einen Volksentscheid werde die Haushaltsverantwortung des Parlaments nicht untergraben.