Politikertypen: Wir stellen Christdemokrat Thorsten Frei vor, der als Hoffnungsträger seiner Partei gehandelt wird. Seit dem Jahr 2007 ist der 40-Jährige Vize-Vorsitzender der Südwest-CDU.

Stuttgart - Es ist ein heißer Nachmittag, 17 Vertreter der Generation 70 plus haben sich in einem Nebenzimmer des Kurstift in Bad Dürrheim eingefunden und harren der Dinge. Sie warten zur Kaffeezeit auf Thorsten Frei, den Bundestagskandidaten der CDU. Es gibt aber nur Mineralwasser. Frei, 39 Jahre, sieht aus wie frisch gelüftet. Blauer Anzug, hellblaues, dezent gestreiftes Hemd zur grünen Krawatte. Sein schwarzes Haar hat er mit viel Gel zurückgekämmt. So nett, höflich, zuvorkommend will er in den Bundestag einziehen. Und so zurückhaltend. Ein harter Konflikt, eine Polemik gegen den politischen Gegner ist seine Sache nicht. Eine Lokalzeitung beschrieb ihn als Mann der leisen Töne.

 

Frei knipst sein Kennedy-Lachen an und erzählt den Alten, dass es Deutschland gut geht und dass es auch ihnen gut geht. Er zählt auf: Mit 42 Millionen gibt es so viele Erwerbstätige wie nie zuvor, mit drei Millionen viel weniger Arbeitslosen. Er warnt vor den Linken und vor der Alternative für Deutschland (AfD), die aus dem Euro aussteigen wollen. Dann kommt er auf die Zuwanderung zu sprechen, die er begrüßt – aber nur, wenn gut Ausgebildete „zu uns kommen“, und keine Hartz IV-Empfänger.

Moderner Konservatismus

Frei bewirbt sich zum ersten Mal für ein Bundestagsmandat. Er ist ein Novize, versucht aber den alten Hasen zu geben. Fünf Wahlkämpfe habe er schon bestritten: Gemeinderat, Kreistag, zwei OB-Wahlen. Jetzt tourt er mit einem schwarzen VW-Bus durch die Lande, sieht die Frau und seinen vierjährigen Sohn, die zweijährige und die fünf Monate alten Töchter nur morgens beim Frühstück. Davor geht er joggen, um die Halbmarathonzeit von 1:38 Stunden nicht zu verschlechtern.

Frei steht für einen moderaten Konservatismus und einen sozial gedämpften Wirtschaftsliberalismus, was die Rentner goutieren. Es murrt kaum jemand, als der Kandidat die Lohnbindung der Rente verteidigt. Die Altersversorgung war zuletzt nur um 0,25 Prozent gestiegen. Die Rente aber ist eigentlich nicht sein Thema. Ihn bewegen die Fragen des ländlichen Raumes. Die Stärkung der Landwirtschaft, des Mittelstandes, der Bildung, der Bau von Straßen. Gute, alte CDU-Politik eben, gemischt mit ein paar Einsprengseln Grün, etwa, wenn es um die Energiewende geht. In der rauen Gegend zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb kommt das an. „Ihr Vortrag war gut und sachlich“, fasst ein Rentner zusammen. „Ich glaube, dass sie gewählt werden.“ Die anderen nicken.

Es liegt ein Schatten auf seiner Kandidatur

Frei ist der Lokalheld. Seit fast neun Jahren ist er OB von Donaueschingen, seit 2009 auch Kreisrat. Dabei stammt er gar nicht von hier, sondern aus Bad Säckingen. Seine Familie gehörte zur unteren Mittelschicht. Der Vater war Polizist, die Mutter Industriekauffrau. Der Sohn hat es zum Vizechef der Südwest-CDU gebracht. Die großen Zeitungen nennen ihnen „Hoffnungsträger“. Sein Name fällt, wenn es um die Führungsreserve der Union im Land geht. Thorsten Frei wird den Wahlkreis gewinnen. So wie alle seine Vorgänger vor ihm gewonnen haben. Die Basis bröselt zwar, doch noch brennt für die Schwarzen hier nichts an. Der Wahlkreis 286 Schwarzwald-Baar ist einer der strukturkonservativsten in Deutschland. Noch nie hat zwischen dem Kinzigtal und der Baar ein Kandidat einer anderen Partei das Direktmandat geholt.

Und doch liegt ein Schatten auf seiner Kandidatur. Er heißt Siegfried Kauder. Immer, wenn Frei schon glaubte, er habe ihn abgeschüttelt, holte er ihn wieder ein. Im November hatte er den „kleinen Kauder“ bei der Nominierungsversammlung klar geschlagen. Kauder war vor ihm der Lokalheld. Doch hatte er sich bei der Basis mit herrisch-abstrusen Aktionen unmöglich gemacht und sich damit die Sympathien seiner Unterstützter verscherzt.

Er bleibt nett, höflich und distanziert

Doch selbst jetzt kann es Kauder nicht gut sein lassen. Mit großem Trara inszenierte er seine Einzelkämpferkandidatur um das Ticket nach Berlin. Der Kreisvorstand will ihn aus der CDU werfen lassen. Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble, Nummer eins auf der Landesliste, will ihn loshaben. Selbst der große Bruder und Merkel-Vertraute Volker Kauder fordert seinen Kopf. So ist im Sommerloch der Wahlkreis 286 in den Fokus der bundesweiten Medien gerückt. Aber nicht wegen Frei. Der ist bei der Kaudermania nur so dabei.

Zwei Tage nach dem Seniorennachmittag nimmt Frei in den Kaufmännischen Schulen in Villingen an einer Podiumsdiskussion mit den anderen Wahlkreiskandidaten teil. In der mit 300 Schülern überfüllten Cafeteria geht es um Bildung, aber auch um Themen wie die kalte Progression bei der Einkommensteuer, die Tabaksteuer und die Legalisierung von Marihuana sowie den Mindestlohn. Frei kann das alles nicht gutheißen. Seine Widerworte aber klingen weich, die Gegnerschaft bleibt smart. Bei den Jugendlichen aber zünden seine Aussagen nicht. Anders als beim Seniorennachmittag erntet er nur spärlichen Beifall. Anbiedern, sagt Frei hinterher, wolle er sich nicht. Populismus, sich gemein machen, dem Volk nach dem Mund reden: All das mag er nicht. Er bleibt nett, höflich und distanziert.