Dennis De könnte wie bisher sein Institut in Indien leiten, an der Hochschule lehren, seine Firma voranbringen und Unternehmen beraten – stattdessen kandidiert er für die Grünen.

Göppingen/Kusterdingen - Theresia Bauer ist Schuld. Die baden-württembergische Wissenschaftsministerin hat dem Wirtschaftsprofessor Dennis De vor einigen Jahren eine Retourkutsche verpasst, die er nicht vergessen hat und die ihn am Ende dazu gebracht hat, sich politisch zu engagieren.

 

Auf einer Reise zur Eröffnung eines von De gegründeten Wirtschaftsinstituts in Mumbai im Jahr 2009 saß er im Flugzeug neben der Grünen und erklärte ihr, was seiner Meinung nach alles falsch läuft in der deutschen Wirtschaftspolitik. Und was getan werden müsste, um das Land wieder voranzubringen. Am Ende seines Vortrags fragte Bauer ihn nur, warum er sich eigentlich nicht selbst engagiere. Schließlich brauche man Experten in der Politik. Ansonsten sei das alles doch nur „Gemecker aus der Komfortzone eines Hochschulprofessors“, zitiert er sie.

Wenn Dennis De die Geschichte heute erzählt, schmunzelt er. „Aber damals hat mich das richtig geärgert“, gibt er zu. „Das war wie ein Stachel in meinem Fleisch, den ich nicht mehr losgeworden bin.“ Seiner Frau habe er hellauf empört von dem „Totschlagargument“ der Politikerin berichtet.

Den Morgan 4/4 hat De gebraucht gekauft. Er repräsentiert für ihn den Wert von Know-How und Handarbeit.
Ein Jahr später wurde De Mitglied bei den Grünen. Sympathisiert hatte er schon lange mit ihnen. Wiederum zwei Jahre später, im Juli des vergangenen Jahres, trat er in Tübingen gegen den grünen Landesvorsitzenden Chris Kühn zur Nominierung für die Bundestagswahl an. Bei der ersten Abstimmung, bei der noch eine dritte Kandidatin im Spiel war, holte er knapp die Mehrheit. Erst im zweiten Wahlgang gewann Kühn dann. Doch mittlerweile war Des guter Ruf bis nach Göppingen vorgedrungen. Die Kreis-Grünen baten ihn, doch in ihrem Wahlkreis anzutreten und der Mann, der eigentlich in Kusterdingen (Kreis Tübingen) lebt, stimmte zu. Immerhin ist ihm die Ecke nicht ganz fremd. Denn der Wirtschaftsexperte hat auch schon Unternehmen aus Göppingen beraten.

Vor Jahren hatte er etwa den Investmentbankern von Goldman Sachs empfohlen, kein weiteres Geld mehr an den „unsäglichen Märklin-Investor“ Kingsbridge Capital zu verschwenden und so die Insolvenz von Märklin auszulösen. De ist sicher, das Kingsbridge das Göppinger Traditionsunternehmen ansonsten vollends an die Wand gefahren hätte. „Bei dem was ich sah ging mir sprichwörtlich das Messer in der Tasche auf,“, erzählt De, der die Amerikaner damals beraten hat, und wird bis heute richtig wütend. Aus seiner Sicht hätte Kingsbridge die Firma „kaputtgemolken“. Die Insolvenz hat aus seiner Sicht viele Arbeitsplätze und die Firma gerettet. „Mit Herrn Pluta hatte Märklin dann auch Glück mit dem Verwalter. Pluta musste dennoch fast 400 Mitarbeiter entlassen“, bedauert er. „Ich möchte nicht wissen wie viele es gewesen wären, wenn es nicht gelungen wäre, die Reißleine zu ziehen.“

Dieses Bild hat einst ein Künstler Des Mutter geschenkt. Für ihn ist es nicht nur ein Erinnerungsstück, sondern es symbolisiert auch die Kraft der Natur.
Als Wirtschaftsexperte hat der Grüne auf seiner politischen Agenda vor allem den Mittelstand im Auge. Dass er sich, trotz seiner vor allem ökonomischen Schwerpunkte, ausgerechnet bei den Grünen zuhause fühlt, ist für ihn kein Widerspruch. Im Gegenteil. Aus seiner Sicht haben sowohl CDU als auch FDP gerade den Mittelstand viel zu sehr vernachlässigt. Die Steuer- und die Finanzpolitik sei so aufgestellt, dass sie vor allem den großen Unternehmen nutze. „Und die Zahlen hier kaum Steuern“, kritisiert der 48-Jährige. „Wir können nicht länger versuchen, mit Billiglohnländern zu konkurrieren“, sagt der Wirtschaftsexperte. Denn die Folge seien immer nur mehr prekäre Arbeitsverhältnisse und weniger wirtschaftliche Leistungskraft und eine Zweiklassengesellschaft in der Arbeitswelt. Als Beispiel für eben diese nennt er die Werkverträge bei Global Playern wie Daimler.

Stattdessen läge die Zukunft in einer grünen Wirtschaftspolitik. Deutschland müsse auf Innovation und auf die Entwicklung grüner Produkte setzen. Dabei denkt De nicht nur an die Solar- oder Windenergiebranche. Man müsse neue, umweltfreundliche und ressourcenschonende Werkstoffe entwickeln. Forschung und Know-How, das seien die Bereiche, die das Land wieder voranbringen könnten. Sein Credo: „Wir brauchen wieder mehr Tüftler.“ Und die, so De, müssten auch entsprechend unterstützt werden.

Im Kreis Göppingen hat De vor allem den Weiterbau der B 10 im Blick. „Da ist zwar vieles suboptimal geplant worden, aber wir können jetzt nicht mehr rumdiskutieren und jeden Baum zählen, der dem Ausbau zum Opfer fallen würde. Das obere Filstal braucht die B 10, und zwar jetzt.“

Ein Grüner Bundestagsabgeordneter wäre eine Sensation

Wahlkreis
Die Göppinger Kreisgrünen konnten bisher noch nie einen Abgeordneten nach Berlin schicken, weder mit einem Direktmandat noch über die Landesliste. Bisher sind sie nur durch Jörg Fritz im Landtag in Stuttgart vertreten. Dennis De belegt Listenplatz 22 – die Grünen müssten auf sensationelle 25 Prozent der Stimmen kommen, damit er nach Berlin könnte.

Kosmopolit
Dennis De wurde 1964 in England geboren und ist in Deutschland und Frankreich aufgewachsen. Er besitzt einen deutschen und einen britischen Pass. Väterlicherseits hat er indische Wurzeln, sein Großvater war dort Generalbundesanwalt. Seine Mutter ist Französin.

Experte
De arbeitete an einem europäischen Projekt am Bonner Institut für Mittelstandsforschung, dort knüpfte er Kontakte in die Politikszene. Denn er war zuständig für die Berichterstattung an die EU-Kommission und beratendes Mitglied im Mittelstandsbeirat des Bundeswirtschaftsministeriums. Um mehr Zeit bei seiner Familie zu verbringen, ging er als Wirtschaftsprofessor an die Hochschule in Reutlingen. Dort hat er das Pilotprogramm „International Business“ aufgebaut. Außerdem hat er im Jahr 2009 das von der EU geförderte Institut „Centre for Indo-European Business Studies“ in Reutlingen und Mumbai eröffnet, das er auch leitet. Außerdem hat er die Firma Snapsock gegründet, die Socken herstellt. Das sind Strümpfe mit integriertem Druckknopf – damit nach dem Waschen das lästige Sortieren entfällt.