Der Vizepräsident des Bundestags Thomas Oppermann (SPD) will die Zahl der Wahlkreise verringern – und damit die Zahl der Abgeordneten. Es gebe inzwischen „kein größeres Parlament auf der ganzen Welt“.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Die Abgeordneten des Deutschen Bundestags „stoßen an die Grenzen der Arbeitsfähigkeit“. Zu diesem Schluss kommt Thomas Oppermann, Vizepräsident des Parlaments, im Interview der Stuttgarter Zeitung. Es gebe inzwischen „kein größeres Parlament auf der ganzen Welt“, sagt er. Der Sozialdemokrat macht sich für eine einschneidende Reform des Wahlrechts stark, um die Wahlkreise zu vergrößern, ihre Zahl zu senken – und so auch die der Volksvertreter. Aktuell sind es 709. Oppermann strebt die im Gesetz genannte Größe von 598 Sitzen an und warnt vor der „Gefahr, dass der Bundestag über 800 Abgeordnete bekommen kann“.

 

Der Bund der Steuerzahler hält ein Parlament mit 500 Sitzen für vollkommen ausreichend. „Wir brauchen jetzt eine ernsthafte Diskussion, damit die Größe des nächsten Bundestags für die Wähler endlich wieder berechenbar wird“, betont Verbandspräsident Reiner Holznagel. „Weil eine Reform des komplizierten Wahlrechts zeitlichen Vorlauf braucht, dürfen die Abgeordneten keine Zeit mehr verlieren.“

Oppermann: Mehr Bürgernähe ist nötig

Oppermanns Reform soll jedoch erst nach der nächsten Bundestagswahl in Kraft treten. Der SPD-Politiker sieht keine Alternative zu einer verringerten Zahl der Wahlkreise, von denen es im Moment 299 bundesweit gibt. „Nur so lässt sich eine Übergröße des Parlaments vermeiden“, sagt er. An Überhangmandaten, die sich aus dem Wahlverfahren mit zwei Stimmen ergeben, und der Verrechnung mit Ausgleichsmandaten will er festhalten. Dieser Modus stützt sich auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2012. Eine Schrumpfkur des Parlaments hält Oppermann schon aus Kostengründen für notwendig. „Bei den Bürgern“, sagt er, „darf jedenfalls nicht das Gefühl entstehen, dass überall gespart wird, nur nicht beim Bundestag.“ Zudem argumentiert er mit der Bürgernähe: „Jedes Parlament ist immer auch ein selbstreferenzielles System“, so Oppermann. „Je größer es ist, desto stärker die Tendenz zur Selbstbeschäftigung.“

Zu anderen Schlüssen kommt der ehemalige Bundestagsdirektor Wolfgang Zeh. Das Budget des Bundestags entspreche, umgerechnet auf den einzelnen Wahlberechtigten, „dem Gegenwert von vielleicht einer Tasse Kaffee im Monat“. Vor diesem Hintergrund, so der Verwaltungswissenschaftler, „können nennenswerte finanzielle Belastungen des Staatshaushalts und der Steuerzahler nicht ernsthaft vorgebracht werden“.

Aus der Sicht des Sozialdemokraten Oppermann hat der Einzug der AfD in den Bundestag das Arbeitsklima belastet. „Die AfD polarisiert und provoziert“, durch solche Schaukämpfe würden „wichtige Sachentscheidungen in den Hintergrund gedrängt“, wodurch die Politik „in einem falschen Licht erscheint“. Das Auftreten auf der Bühne des Parlaments mache aber deutlich, „dass die AfD eine dezidiert rassistische und nationalistische Partei ist“.