Der Chef der Bundestagsfraktion, Jürgen Trittin, will seine Partei in den nächsten Bundestagswahlkampf führen. Eine Frau soll das Team vervollständigen. Es bleibt nur die Frage, welche.

Berlin - Mal war es ein 4-3-2-1, danach ein 7-1-1 und dann ein 3-2-2. Von jeher treten die Grünen in Bundestagswahlkämpfen nicht mit einem Spitzenkandidaten, sondern mit Teams an, die an die Aufstellung der Spieler in Sportmannschaften erinnern. Im Jahr 2005 zum Beispiel war Joschka Fischer Spitzenkandidat, dem als weibliches Pendant Renate Künast zur Seite stand, wobei beide auf ein Gefolge von sieben Helferlein zählen konnten – ein 7-1-1 eben. Die wechselnden Formationen mögen das Innenleben der Partei beschäftigen. Für die paar Außenstehenden, die sich überhaupt für die grüne Mannschaftsaufstellung interessieren, wirkt das Ganze wie eine alberne Marotte.

 

Das gilt umso mehr, als die Grünen ihr Faible für Teams unlängst selbst widerlegt haben. Bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein präsentierten sie sich jeweils mit einer bekannten und unverwechselbaren Spitzenperson. Diese vier, von denen zwei weiblichen und zwei männlichen Geschlechts sind, waren allesamt erfolgreich. In Berlin holte auch Renate Künast mehr Stimmen als zuvor; ihr Ziel, Klaus Wowereit abzulösen, verfehlte sie aber. Im Südwesten dagegen gelang es Winfried Kretschmann sogar, der CDU den Posten des Stuttgarter Ministerpräsidenten abzujagen.

Kretschmann ist für Trittin solo

Kretschmann ist es auch, der in der Frage, wer die Grünen in die Bundestagswahl 2013 führen soll, die einzig sinnvolle Antwort gibt, genauer gesagt: gab. Er will, dass Fraktionschef Jürgen Trittin zum alleinigen Spitzenkandidaten gekürt wird. Genau das allerdings wird nicht passieren. Hatte Trittin bisher offen gelassen, ob er überhaupt antreten wolle, sprach er nun im „Spiegel“ aus, was von allen erwartet worden war: „Ich trete an und möchte einer der beiden Spitzenkandidaten von Bündnis 90/Die Grünen sein.“ Der Fraktionschef redet also einem Duo das Wort. Dabei würde es die Erfolgschancen der Partei keineswegs mindern, 2013 so anzutreten, wie sie es zuletzt getan hatte.

Gewiss ist Trittin nicht annähernd so beliebt, wie es Kretschmann im Südwesten und Karoline Linnert in Bremen sind. Solche Publikumslieblinge hat die Bundespartei schlicht nicht aufzuweisen. Aber ein erfahrener und seriöser Politiker ist Trittin ohne jeden Zweifel. Es ist ja kein Zufall, dass ein bodenständig-wertkonservativer Realo wie Kretschmann mit Blick auf 2013 nicht in Flügelproporz denkt, sondern ausdrücklich Trittin, einen Exponenten der Parteilinken, auf den Schild heben will. Der hat nämlich seine Flegelhaftigkeiten von einst längst abgelegt, dafür aber auf vielen Politikfeldern (darunter ist auch das hochkomplexe Thema der Eurokrise) Erfahrung und Sachkunde gewonnen.

Das grüne Grundgesetz: Nicht ohne eine Frau

Doch wie gesagt: Trittin als alleinige Nummer eins wird es nicht geben. Die Frauenquote, sagt Claudia Roth, gehöre zum „grünen Grundgesetz“, weshalb eine Frau mit in die Spitze gehöre. Dass viele Landesverbände ohne Schaden für das „Grundgesetz“ längst so frei sind, bei Wahlen nur mit einem männlichen Spitzenbewerber anzutreten, ist Roth offenbar noch nicht aufgefallen. Dafür aber sehr wohl, dass es ihre Eitelkeit nicht verschmerzte, wenn die Grünen allein mit Trittin ins Rennen gingen. Also beschloss der Parteirat nach Roths Einspruch für den Wahlkampf 2013 ein Duo aus einem Mann und einer Frau – das Duo, dem Trittin angehören will. Die Aussicht, dass sich dort gleich zwei Politiker vom linken Flügel finden (Roth und Trittin also), hält jedoch so mancher Realo wie der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer für eine Zumutung.

Der Versuch, das Linksflügel-Duo zu verhindern, enthüllt allerdings nur, wie schwach die Realos sind. Teile von ihnen haben Renate Künast die Gefolgschaft aufgekündigt, ohne eine Nachfolgerin präsentieren zu können. Katrin Göring-Eckardt, die Palmer für das Duo vorschlug, hat fraglos ihre Stärken. Als Spitzenkandidatin einen harten Wahlkampf zu bestehen, zählt nicht dazu. Diese Eigenschaft kann Künast durchaus aufweisen. Weil sie sich aber des Rückhalts der Realos nicht sicher ist, zögert sie, sich einer Urwahl der 60 000 Mitglieder und dem Duell mit Roth – zu stellen.

Gut ein Jahr vor der Wahl haben sich die Grünen in der Personalfrage arg verhakt. Für eine Partei, in der einst Personenkult verpönt war, ist dies ein bemerkenswerter Zustand. Und eine Zäsur. Dass es ihnen im Gegensatz zu anderen Parteien um Inhalte und Programm, nicht um Personen oder gar Posten gehe: diese klassisch-grüne Behauptung war schon immer arg überheblich. Und jetzt erweist sie sich im Kandidatengerangel auch noch als verlogen.