Die Grünen wollen die Mitglieder entscheiden lassen, wer sie in den Bundestagswahlkampf 2017 führt. Bei der ersten Debatte mit der Basis profiliert sich der schleswig-holsteinische Umweltminister.

Hannover - Robert Habeck will an diesem Abend punkten. Schleswig-Holsteins grüner Umweltminister steht mit den Parteipromis Cem Özdemir, Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt in Hannover auf der Bühne - und kämpft. Die Moderatorin hat die potenziellen Spitzenkandidaten der Partei gebeten, sich an einem imaginären Wahlkampfstand in der Fußgängerzone vorzustellen. Habeck legt eine schauspielerische Leistung hin. „Tach - darf ich Ihnen einen Flyer geben? Was, nicht? Ach so, wir sind die Verbotspartei?“ Am Ende überzeugt Habeck seinen Gesprächspartner, doch wenigstens den Flyer mitzunehmen. Das Publikum - Mitglieder der Grünen aus Niedersachsen und Bremen - applaudiert begeistert.

 

Per Urwahl wollen die Grünen bestimmen, wer die Partei in die Wahl 2017 führen soll. Bis Weihnachten werden die vier Bewerber durch Deutschland touren und sich den Fragen der Parteibasis stellen. Mitte Januar soll das Votum der Mitglieder stehen. Gewählt werden zwei Spitzenkandidaten - ein Mann, eine Frau. Sollten die Grünen ihr Ziel erreichen, die große Koalition abzulösen, könnte es am Ende sogar um die Frage gehen, wer Vizekanzler wird - oder Vizekanzlerin.

Als einzige Frau in dem Quartett hat die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt ihren Platz sicher. Was ihr selbst nicht so recht ist, wie die 50-Jährige betont: „Ich will es gar nicht haben, dass ich gesetzt bin.“

Wie die anderen drei Kandidaten demonstriert sie ein starkes grünes Selbstbewusstsein. Die Grünen beflügelt offensichtlich die Vorstellung, dass ein regierungsfähiges Bündnis 2017 ohne sie nicht möglich sein könnte - sei es nun eine Koalition mit CDU und CSU oder Rot-Rot-Grün. Göring-Eckardt formuliert es so: „Man sieht ja, dass im Moment alle danach gucken, dass sie mit uns zusammenkommen - das ist doch eine komfortable Situation.“ Es gehe um die Frage, wie man politische Mehrheiten gewinnen könne. Die Wähler, so analysiert Göring-Eckardt, seien für grüne Themen durchaus offen: „Wieviel Mikroplastik ist in meinem Duschgel? Sowas interessiert die Leute.“

Parteichef Cem Özdemir kontert mit der Feststellung, dass „viele Menschen grün leben, denken und einkaufen, aber uns nicht wählen“. Die Partei müsse ihre Inhalt besser kommunizieren. „Wenn der Empfänger die Botschaft nicht versteht, kann es auch am Sender liegen“, sagt der Sozialpädagoge. Ansonsten konzentriert sich Özdemir auf die Themen Integration und Außenpolitik. Sanktionen gegen Wladimir Putin wegen Syrien müssten her, denn der Kremlchef arbeite gleich doppelt an der Destabilisierung Europas: „Er schafft einerseits Flüchtlinge und unterstützt dann die Front National von Marine le Pen.“

Anton Hofreiter gibt sich als ehrliche Haut. Der Fraktionschef und einzige Parteilinke unter den vier Bewerbern bleibt bei den grünen Kernthemen - Massentierhaltung, Energiewende, Klimawandel. „Mit dem Meeresspiegel kann man nicht verhandeln.“ In der sperrigen Rhetorik des 46-jährigen promovierten Biologen schwingt immer ein Schuss Weltverbesserung mit. Etwa wenn er erklärt, die Grünen wollten nicht wegen der Dienstwagen an die Macht, sondern „um das Leben und die Gesellschaft besser zu machen“.

Mehrfach an diesem Abend geht der Kieler Habeck in die Offensive. Der 47-Jährige hat den geringsten bundesweiten Bekanntheitsgrad unter den vier Anwärtern, er selbst bezeichnet sich gerne als Underdog. Als Hofreiter erneut auf sein Lieblingsthema Massentierhaltung kommt, grätscht Habeck dazwischen: „Du kannst auch zehn Kühe scheiße halten!“ Es gehe um das Tierwohl und ökologische Bedingungen, nicht nur um die Zahl der Tiere. Auch beim Thema Vermögensteuer langt Habeck zu, kritisiert den Kompromiss zwischen den Parteiflügeln, den Göring-Eckardt und Hofreiter gerade ausgehandelt haben: „Wir streiten uns über Instrumente, ohne uns über das Ziel zu unterhalten.“

Hofreiter wirkt hinterher sichtlich angefressen. Doch er hält sich an die grüne Maxime, dass sich die vier potenziellen Spitzenkandidaten nicht zerfleischen sollen. Zwei junge Männer im Publikum jedenfalls sind von Habecks Auftritt beeindruckt: „Der Robert und die Katrin - das wäre doch ein ideales Team.“