In sieben Jahrzehnten hat sich die Beteiligung der Deutschen an Bundestagswahlen stark verändert. Die Gründe dafür liegen unter anderem in der Geschichte der Bundesrepublik.

Stuttgart - Seit der Wahl zum ersten deutschen Bundestag im Jahr 1949 hat sich bei der Wahlbeteiligung der Deutschen einiges getan: In den fast sieben Jahrzehnten gab es deutliche Schwankungen, die historische Zäsuren widerspiegeln. Sieben Bundeskanzler und eine Bundeskanzlerin regierten in dieser Zeit – und prägten unter anderem auch durch ihre politische Agenda die Wahlbeteiligung.

 

Hohe Wahlbeteiligung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs

Am 14. August 1949 beteiligten sich 78,5 Prozent der Deutschen, die nach der Teilung Deutschlands in der neu gegründeten Bundesrepublik (BRD) lebten, an der Wahl zum ersten Bundestag. Sie war die erste Bundestagswahl überhaupt und – nach den Wahlen zu den Landtagen und den Kommunalwahlen in den Jahren seit 1946 – die erste komplett freie Wahl seit der Reichstagswahl vom 6. November 1932.

Konrad Adenauer wurde zum ersten Bundeskanzler der BRD gewählt – und blieb bis 1963 in diesem Amt. Ihm folgte Ludwig Erhard nach: Er war der erste Wirtschaftsminister (1949 bis 1963) im Nachkriegsdeutschland und zweite Bundeskanzler (1963 bis 1966) nach Konrad Adenauer. Erhard steht wie kaum ein anderer für eine Ära deutscher Wirtschaftspolitik. Das zeigt sich auch in der Wahlbeteiligung: Unter Adenauer stieg die Teilnahme der Deutschen bei einer Bundestagswahl auf bis zu 87,8 Prozent (im Jahr 1957) an. Unter Erhard sank sie nur um wenige Prozentpunkte auf 86,8 im Jahr 1965.

Statistik: Wahlbeteiligung bei den Bundestagswahlen in Deutschland von 1949 bis 2013 | Statista
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Deutlicher Anstieg im Jahr 1972

Einen deutlichen Anstieg verzeichnet die Wahlbeteiligungskurve im Jahr 1972. 91,1 Prozent der Deutschen wählten in der BRD den neuen Bundestag. Das hat historische Gründe: In diesem Jahr normalisierten sich die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der DDR – durch das Transitabkommen und den Grundlagenvertrag. Es sind die beiden wichtigsten Verträge der Neuen Ostpolitik unter Bundeskanzler Willy Brandt. Im selben Jahr hat der Bundestag beschlossen, das aktive Wahlalter auf 18 Jahre herabzusenken.

Ebenfalls im Jahr 1972 wurden die Olympischen Sommerspiele in München von der Geiselnahme der israelischen Athleten überschattet. Die Geiselnahme endet mit einer gescheiterten Geiselbefreiung auf dem Flugplatz Fürstenfeldbruck, bei der alle Geiseln, fünf Terroristen und ein Polizist sterben.

Als der damals amtierende Bundeskanzler Willy Brandt am 20. September im Bundestag die Vertrauensfrage stellte, kam es zu vorgezogenen Neuwahlen und einem historischen Höchststand bei der Wahlbeteiligung. Die SPD unter Willy Brandt erhielt erstmals mehr Wählerstimmen als die CDU und Brandt blieb Bundeskanzler.

Tiefstand um die Wende herum

Mit der Wende erreichte die Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl im Jahr 1990 mit 77,8 Prozent ihren ersten Tiefstand seit 1949. Neben den Bürgern der ehemaligen DDR waren erstmals auch die West-Berliner wahlberechtigt.

Helmut Kohl (CDU) trat zum vierten Mal als Bundeskanzler an. Er war maßgeblich am Zustandekommen der staatlichen Einigung Deutschlands beteiligt. Kohl konnte deshalb mit einem erheblichen Amtsbonus in die Wahlentscheidung gehen. Der Unionspolitiker wurde mit der schwarz-gelben Koalition bestätigt und berief im Januar 1991 das Kabinett ein.

Nie zuvor gingen so wenige Menschen wählen

In keinem Jahr zuvor gingen so wenige Menschen zur Wahlurne: 2009 war das Jahr, in dem die Politiker die Unzufriedenheit der Bürger während der Wirtschafts- und Finanzkrise und dem finanzpolitischen Kurs Europas gegenüber Griechenland zu spüren bekamen. Nur 70, 8 Prozent gaben ihre Stimme ab.

Die Unionsparteien und die FDP erreichten zusammen die notwendige Mehrheit für die von beiden Seiten angestrebte Bildung einer schwarz-gelben Koalition. Die SPD erzielte ihr schlechtestes Bundestagswahlergebnis überhaupt, CDU und CSU ihr jeweils schlechtestes nach der ersten Bundestagswahl 1949.

Sehen Sie in unserem Video: Fakten rund um die Bundestagswahl:

In unserer Bildergalerie zeigen wir historische Fotos von den Bundestagswahlen seit 1949.