Ministerpräsident Winfried Kretschmann will in den Koalitionsverhandlungen erreichen, dass im Kampf gegen den Klimawandel mehr getan wird, als es das grüne Wahlergebnis eigentlich hergibt.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Stuttgart - Die Grünen haben ihr eigentliches Wahlziel, den Einzug ins Kanzleramt, nicht erreicht. Doch nun spielen sie eine Schlüsselrolle in den Gesprächen über eine neue Regierungskoalition. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann erklärt im Interview, worauf es für ihn und seine grüne Partei jetzt ankommt.

 

Herr Kretschmann, überwiegt bei Ihnen die Freude über den Stimmenzuwachs der Grünen oder der Frust über vertane Wahlkampfchancen?

Frust möchte ich es nicht nennen, aber die Enttäuschung ist natürlich groß. Wir bleiben deutlich hinter unseren Erwartungen zurück. Der Klimawandel ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen, und die Hochwasserkatastrophen haben die Bedeutung des Themas noch einmal unterstrichen, da kann man mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein. Obwohl es das beste Ergebnis ist, das wir bei einer Bundestagswahl jemals hatten.

War es ein Fehler, Annalena Baerbock statt Robert Habeck als Kanzlerkandidaten zu nehmen?

Das ist verschüttete Milch. Jetzt kommt es auf etwas Anderes an: Der Auftrag, den wir haben, ist größer als unser Ergebnis. Wir müssen in den nun folgenden Koalitionsgesprächen erreichen, dass im Kampf gegen den Klimawandel mehr getan wird, als es unser Wahlergebnis hergibt. Der Klimawandel findet mit starker Beschleunigung statt. Wir haben noch zehn bis fünfzehn Jahre, um das global zu drehen. Der Klimawandel nimmt nun mal auf Wahlergebnisse keine Rücksicht. Wir müssen schnell und ambitioniert, aber auch mit Verlässlichkeit eine neue Klimapolitik auf den Weg bringen.

Wer hat den Regierungsauftrag: Olaf Scholz? Armin Laschet? Oder beide?

Erst einmal hat ihn in der Regel derjenige, dessen Partei als stärkste aus der Wahl hervorgeht. Ich betone: in der Regel. Letztlich muss man eine Mehrheit für eine Koalition schmieden. Die Verhandlungen sind sehr offen. Die anderen Parteien müssen uns nun zeigen, wie sie selber unser Thema voranbringen wollen. Der baden-württembergische Koalitionsvertrag mit seinen ambitionierten Klimazielen ist da sicher eine gute Blaupause.

Die FDP will weiterhin Jamaika, ist das auch für Sie das tragfähigste Modell?

Das ist erst einmal das gute Recht der FDP, eine Präferenz zu benennen. In meiner Partei gibt es sicher Kräfte, die eine Ampel favorisieren. Es sollte aber nicht vordergründig um die Couleur gehen, auf die Inhalte, die man verhandelt, muss es ankommen. Daran sieht man, wie kompliziert das jetzt ist. Man muss sich auf schwierige Verhandlungen einstellen.

Werden Sie sich persönlich in die Koalitionsverhandlungen einschalten?

Na sicher. Ich bin bei den Verhandlungen dabei, aber ich bestimme natürlich den Kurs nicht. Das machen unsere beiden Parteivorsitzenden. Ich werde das loyal begleiten und unsere baden-württembergischen Interessen sehr, sehr deutlich einbringen.