Im Wahlkampf gibt sich der Chef der Freien Wähler volkstümlich. Dass er nicht geimpft ist, macht den Niederbayern bei bestimmten Gruppen beliebt.

Landshut - Mit Annäherung hat der Mann keine Schwierigkeiten. „Griaßts euch, von wo kommt jetzt ihr her?“, fragt er eine Gruppe von Frauen, die durch die Landshuter Altstadt zieht. Aus Unterfranken, sagen sie, sie sind ein Wochenende im Niederbayerische. Alle kennen natürlich den Mann, mit dem sie ein Foto machen lassen, und der sie dabei als „sehr hübsche Damen“ bezeichnet: Hubert Aiwanger, Bundesvorsitzender der Freien Wähler (FW) und bayerischer Wirtschaftsminister, macht Wahlkampf. Orangene Taschen mit FW-Aufdruck, Infomaterial und Gummibärchen bekommen die Fränkinnen mit, eine lässt sich auch ein Autogramm geben. „Für Lore“ soll Aiwanger auf die Tasche schreiben.

 

Gesehen werden ist das Ziel im Wahlkampf

Der FW-Chef gibt sich gerne volkstümlich, und in Landshut ist Aiwanger daheim. Er lebt um die Ecke in Rahstorf mit Lebensgefährtin Tanja Schweiger – Landrätin des Landkreises Regensburg – und zwei Söhnen. Gesehen werden – das ist das Ziel des Niederbayern bei Auftritten wie diesem. Die FW kandidieren bei der Bundestagswahl, Aiwanger ist ihr großes und einziges Zugpferd. In Bayern sitzen sie als Koalitionspartner der CSU am Kabinettstisch, in Rheinland-Pfalz haben sie den Sprung in den Landtag geschafft.

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„Wir sind die Volkspartei, die alle Themen aus Sicht des Bürgers richtig einordnet und nicht ideologisch überspitzt“, sagt Aiwanger. Er ruft nach der „Vernunft“, wahrscheinlich ist dies das von ihm am häufigsten verwendete Wort. Auf dem Land sind die FW stark vertreten und gut vernetzt. Die CSU sei ihm „nicht integer genug“ gewesen, erzählte der Landwirtssohn und studierte Agraringenieur einmal. Also baute er maßgeblich die FW auf Landesebene auf.

Skeptische Haltung gegenüber Coronapolitik

Für Aufsehen sorgt er nun aber vor allem mit seiner skeptischen Haltung gegenüber der Coronapolitik. Aiwanger selbst ist nicht gegen Corona geimpft, er sagt, der Impfstoff überzeuge ihn nicht völlig. Im Wahlkampf nutzt er das aus. Ein älterer Mann klagt, er bekomme beim Tragen der Maske Panikattacken. Der FW-Politiker sagt: „Es ist höchste Zeit für den Freiheitstag, an dem alle Beschränkungen fallen.“ Zwei junge Frauen verlangen „ungeimpfte Freiheit“, Aiwanger bestärkt sie. „Für das Impfen bekommt man jetzt eine Bratwurst“, kritisiert eine von ihnen, „das ist so armselig.“

Doch es gibt auch Passanten wie jene Frau, die ihm sagt: „Ich wähle Sie nicht, weil Sie sich nicht impfen lassen. Das ist unverantwortlich, Sie sind ein Vorbild.“ Aiwanger macht keinen Hehl aus seinem Kalkül: „30 Prozent der Bevölkerung sind nicht geimpft. Denen wird es schwer fallen, die Union zu wählen.“

Einsatz für Mittelstand und Landwirtschaft

Insgesamt gibt sich der 50-Jährige als eine Art konservativer Rebell. Er ist Jäger, setzt sich für den Mittelstand ein und die Landwirtschaft. Den Klimawandel sieht er als „Herausforderung, die wir gezielt lösen müssen“. Etwa durch die Entwicklung von grünem Wasserstoff als künftigem Antrieb für Autos mit Verbrennungsmotoren.

Vieles, was mit Verboten einhergeht, lehnt Hubert Aiwanger ab. So hat er sich gegen einen dritten bayerischen Nationalpark ausgesprochen, denn dies bedeute „Waldstilllegung“. Er unterstützt die umstrittene Anbindehaltung für Kühe – „sonst hört der Landwirt auf, dann wandern die Tiere eben zum Schlachthof“.

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Außerhalb Bayerns und in den Städten wird Aiwanger immer wieder belächelt, man macht Witze. Das liegt an seinem ausgeprägten Niederbayerisch und an seinen manchmal schiefen Gedankengängen, die er äußert. So sagte er jüngst über die Produktion des Treibhausgases Methan durch Kühe: „Der Methanausstoß wird auch den Tieren vorgeworfen, die gar nicht wissen, worum es geht.“

Aiwanger fühlt sich überall verstanden

CSU-Chef Markus Söder, der ein gutes Abschneiden der Freien Wähler fürchtet, meinte: „Im Westen kennt man Hubert Aiwanger nicht, und im Norden versteht man ihn nicht.“ Dieser kontert diese Unterstellung im Gespräch mit dieser Zeitung: „Im Wahlkampf war ich in 15 von 16 Bundesländern. Man hat mich überall gekannt und verstanden.“

In den Umfragen bewegt sich die Partei allerdings seit Monaten kaum. „Wir sind im Drei-Prozent-Getto“, gibt Aiwanger zu. Für den Fall des Scheiterns an der Fünf-Prozent-Klausel sagt der Kandidat und Parteichef: „Bei uns ist schlimmstenfalls die Stimme verschenkt. Wenn man die anderen wählt, ist es ein aktiver Schaden.“