Die Sozialdemokraten sind Gewinner und gehen doch leer aus. Die Linke ist eine Verliererin, doch Bernd Riexinger behält sein Zweitmandat. Dennoch kann der frühere Bundesvorsitzende seiner Partei nicht zufrieden sein. Er hat ein paar Ratschläge.

Stuttgart - So hatten sich die Kandidaten der Linken diese Wahl ganz und gar nicht vorgestellt: Schwächeanfall beim Deutschland-Ergebnis – und in Stuttgart nicht stark. „Damit kann man nicht zufrieden sein“, sagt der Ex-Bundesvorsitzende Bernd Riexinger, der im Wahlkreis Stuttgart I angetreten war.

 

Mit seinem Erststimmenergebnis (4,1 Prozent) landete er einen Zehntelpunkt vor dem AfD-Kandidaten, und sogar seine weniger bekannte Parteifreundin Johanna Tiarks verbuchte im Wahlkreis Stuttgart II mit 4,8 Prozent mehr Zuspruch. Aber natürlich war das Direktmandat für sie nie im Visier.

Riexinger ist selbst unzufrieden

„Wir haben gezielt um Zweitstimmen geworben“, sagt Riexinger. Gerade er als Promi der Partei hätte in seinem Wahlkreis mehr Wirkung erzielen müssen, auch Zugewinne gegen den Bundestrend. Das weiß Riexinger selbst. Die 5,2 Prozent für die Linke (2017: 9,3) sind wenig – wenngleich Stuttgart zu den Kreisverbänden im Land mit den geringsten Verlusten zähle. Riexinger und Tiarks hatten sogar die Reviere getauscht: Sie ging in den Nord-, er in den Süd-Wahlkreis, weil er sich den Grünen-Promi Cem Özdemir und den CDU-Abgeordneten Stefan Kaufmann zur Brust nehmen wollte.

Warum alles so anders kam? Man sei der Zuspitzung auf andere Parteien im Wahlkampf zum Opfer gefallen, sagt Riexinger. Etwa der Zuspitzung, dass man Scholz und die SPD nach vorne wählen müsse, um die CDU abzulösen. Oder der Strategie der Union, vor der rot-rot-grünen Regierung zu warnen. Die SPD habe im Wahlkampf die sozialen Fragen „stark besetzt“ und sich damit erfolgreich von der CDU abgesetzt – und ihre Hypotheken wie Hartz IV und Agenda 2010 in den Hintergrund gerückt. Damit kam die eine Partei, die ein Herz für Sozialpolitik für sich beansprucht, nämlich die SPD, nach vorne – und die andere, die Linke, fiel zurück.

Mit der sozialen Frage punktet die SPD

„Die starke Wählerwanderung von uns zu den Grünen und zur SPD kann nicht an unseren Inhalten liegen“, meint Riexinger. Und er nimmt auch nicht an, dass Forderungen von Parteifreunden nach dem Nato-Austritt sehr abschreckend wirkten. Das sei ja nicht neu gewesen, und die Menschen hätten gewusst, dass dies in Koalitionsgesprächen verhandelbar wäre. Riexinger folgert aus den Ergebnissen, dass die Linke viel stärker ihre Eigenständigkeit betonen, stärker das eigene Profil und Programm nach vorne stellen müsste. Darüber hinaus empfiehlt er der Partei, „sich jetzt nicht auf die sozialen Fragen zu beschränken“, vielmehr den Bogen von sozialer Gerechtigkeit zu Klimagerechtigkeit zu schlagen. Das sind auch jene Punkte, an denen Riexinger Probleme in einer rot-grün-gelben Ampelkoalition erwartet. Denn in der Konstellation werde die SPD beim Sozialen manches nicht durchbringen, ebenso die Grünen beim Klimaschutz.

Lucia Schanbacher steht auf dem ersten Nachrücker-Platz

Die Genossen schwelgen derweil noch im Hochgefühl. Auch in Stuttgart, wo sie nach demütigenden Wahlergebnissen nun beim Zweitstimmenergebnis wieder zur Nummer 2 in der Stadt und zur Nummer 1 im Wahlkreis Stuttgart II aufgestiegen sind. Im Gegensatz zur Linken errang die SPD aber kein Zweitmandat. Lucia Schanbacher, Kandidatin im Wahlkreis Stuttgart I, stand auf Rang 23 der SPD-Landesliste, von der 22 Bewerber zum Zuge kamen. Sie würde nachrücken, falls ein SPD-Abgeordneter aus dem Land aus dem Bundestag ausscheidet.