Sie wollen nach Berlin ins Parlament. Die zwölf aussichtsreichsten Bewerber stellen wir in unserer Serie vor. Heute: Dirk Spaniel, der für die AfD im Wahlkreis Stuttgart I antritt.

Architektur/Bauen/Wohnen: Andrea Jenewein (anj)

Stuttgart - Angst. Das ist, was einige Passanten umtreibt. Und sie dazu antreibt, mit Dirk Spaniel am Wahlkampfstand der AfD auf der Königstraße zu sprechen. „Wissen Sie, ich habe nichts gegen Ausländer“, sagt eine ältere Dame, „bei mir im Haus wohnen auch welche, die sind sauber und ruhig. Aber die, die jetzt kommen, die machen mir Angst.“ Spaniel lauscht und nickt. „Wir leben in einer Demokratie – und wir können entscheiden, wen und wie viele wir ins Land lassen“, sagt der 45-Jährige.

 

Die Flüchtlingskrise – sie gab im Herbst den Ausschlag dafür, dass Dirk Spaniel in die AfD eintrat. „Ich saß in einem Strandkorb auf Sylt und habe mir das durchgerechnet. Und dachte: Das kann nicht wahr sein, wir verlieren gerade die finanzielle und soziale Kontrolle über unser Land.“ Bis dahin habe er daran geglaubt, dass die Regierung „das letztlich schon vernünftig regeln wird“.

„Die Kriminalitätsrate bei den Migranten ist höher als bei den Deutschen“

Denn schließlich war Spaniel einst ein CDU-ler: Ende der 80er Jahre war der gebürtige Marburger bei der Jungen Union Hessen im Kreisvorstand. Danach verabschiedete er sich für lange Zeit aus der Politik. Zum einen habe er im Zuge der Wiedervereinigung gedacht, alles laufe ganz gut, zum anderen ging er nach Brasilien und in die USA. 1997 kam er nach Stuttgart, er arbeitet bei einem großen Automobilkonzern und wohnt mit Frau und Tochter (10) in seinem Wahlbezirk. „Ich bin mehrfach umgezogen, immer rund um den Killesberg, jetzt wohne ich obendrauf.“

„Nirgendwo habe ich lieber gelebt als in Baden-Württemberg“, sagt er. Trotz der vielen Migranten? „Wenn ich mir in Stuttgart das Straßenbild anschaue, habe ich den Eindruck, das stimmt einigermaßen – die Statistik sagt allerdings etwas anderes: Das Durchschnittseinkommen der Migranten liegt unter dem der Deutschen, die Kriminalitätsrate ist aber höher.“

Niemand wolle die „unangenehme Wahrheit“ hören

Und an Statistiken glaubt Spaniel. Zahlen scheinen seine Antwort auf die Angst zu sein. So wandte er sich mit seinen Zahlen im Jahr 2015 auch an „alle bei der Union, die ich kannte“. Auch andere Parteien habe er angeschrieben, zurückgemeldet habe sich so gut wie niemand.

Nachdem niemand die „unangenehme Wahrheit hören wollte“, sei ihm klar gewesen, dass er Deutschland „den Rücken zudrehen oder etwas tun musste“. Er trat der AfD bei – aktiv wurde er aber erst im Oktober 2016. „Damals habe ich gefragt, ob die AfD schon einen Kandidaten für die Bundestagswahl hat“. In einer Stichwahl gegen Heinrich Fiechtner stetzte er sich durch und war fortan Bundestagskandidat der AfD. Er ist auf Listenplatz zehn gesetzt.

Zwie große Themen: Energieversorgung und Verkehr

Spaniels große Themen sind die Energieversorgung und der Verkehr. „Wir müssen uns von der Idee verabschieden, dass wir alles unabhängig regeln können: Wenn weite Teile der Welt sich für einen Trend entschieden haben, dann müssen wir mitziehen“, sagt er – und meint damit, dass die Elektromobilität akzeptiert werden müsse.

Das gelte auch für die Energieversorgung: „Wenn sich die ganze Welt für die Atomkraft entscheidet, können wir nicht mit unseren alternativen Energien daherkommen.“ Da niemand bisher probiert habe, ob „wir damit durchkommen“, zieht er den Vergleich zu Kindern, die auch dächten, sie können fliegen – und vom Dach sprängen. „Wir halten uns in Deutschland gerade alle an der Hand und springen gemeinsam“, sagt Spaniel.

Flüchtlinge: Spaniel will ein Modell nach Vorbild der USA oder Kanada

Die Grundidee seiner beiden Lieblingsthemen ließe sich auch auf die Flüchtlingspolitik übertragen: „Würden Sie, wenn Sie keine Ahnung von Aktien haben, damit spekulieren?“, fragt er. Den Einwand, es gehe bei der Flüchtlingskrise aber um Menschen und nicht allein um Geld, lässt er nicht gelten: „Doch, es geht um Geld. Man muss sich entscheiden, ob man den Wohlstand in Deutschland erhalten oder mit ganz vielen Leuten teilen will“, sagt er. Spaniel schwebt ein Modell nach dem Vorbild der USA oder Kanada vor, bei dem „nur wenigen Migranten und Flüchtlingen die Einreise erlaubt wird – und bei dem die Menschen Qualifikation oder Vermögen mitbringen müssen“. Es müsse selektiert werden, so Spaniel.

Die ältere Dame, die ihren Ängsten vor Flüchtlingen Ausdruck verliehen hatte, fragt: „Warum ist hier so viel Polizei?“ Tatsächlich sind mehrere Einsatzwagen und Polizisten rund um den AfD-Stand zu sehen. Auch ein privater Security-Mann wurde beauftragt. Der Grund: Bei der Landtagswahl habe es auf dem Schlossplatz kleinere Tumulte gegeben. Die Dame ist alarmiert: „Hoffentlich passiert mir nun nichts, weil ich mit Ihnen gesprochen habe“, sagt sie zu Spaniel und geht in geduckter Haltung weg.