Am 22. September steht die Bundestagswahl an. Welcher Typ Mensch drängt ins Parlament, was treibt die Kandidaten an? Im Portrait: Steffen Bilger, das aufstrebende Südwest-CDU-Talent.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Ludwigsburg - Urlaub? Steffen Bilger zögert bei dieser Frage. „Eigentlich bin ich eher der Typ, der daran denkt, was noch alles zu erledigen ist“, sagt er. Trotz Wahlkampfs will sich der 34-jährige CDU-Kandidat aber eine Auszeit gönnen. Der Mann ist schließlich jung verheiratet. Seine Pläne für die Sommerfrische: drei Tage Erholung im Schwarzwald. Mehr ist nicht drin. Die Ehefrau hat Verständnis. Sie ist selbst bei der Jungen Union aktiv, bei der Bilgers Karriere begann. Der Jurist aus Ludwigsburg, 1979 im oberbayerischen Schongau geboren, aber in Backnang aufgewachsen, zählt zu den aussichtsreichen Nachwuchskräften der CDU im Südwesten.

 

Obwohl neu im Bundestag, findet seine Stimme mehr Gehör als die eines gewöhnlichen Hinterbänklers. Bilgers Politkarriere begann schon als Gymnasiast. Nach dem Abitur war er während des Zivildienstes zwei Jahre Bundesgeschäftsführer der Schülerunion. Danach wurde er Landesvorsitzender der Jungen Union – und als solcher dreimal wiedergewählt. Mit 30 zog er in den Bundestag ein. Inzwischen zählt er zu den mächtigsten Provinzfürsten der CDU in Baden-Württemberg. Er führt den mitgliederstärksten Bezirksverband.

Bilger ist ein Oettinger-Mann, definitiv dem Reformflügel seiner Partei zuzurechnen. Über den früheren Ministerpräsidenten, unter dem er selbst eine Nummer in der Südwest-CDU geworden ist, sagt er schon mal: „Viele hoffen, dass er zurückkommt.“ Bilger hat sich wegen Helmut Kohl der CDU verschrieben. „Als ich zum ersten Mal bewusst Nachrichten hörte, hieß der Kanzler Helmut Kohl“, erzählt Bilger über seine politische Sozialisation, „als ich mein Abitur machte, war er immer noch Kanzler.“ Ganz ungetrübt ist sein Verhältnis zu dem schwarzen Patriarchen nicht. Anlässlich Kohls Kanzlerjubiläums wagte Bilger immerhin auf eine Schwachstelle in dessen Heiligenlegende hinzuweisen: Er betonte, „dass die Fehler des Euro schon bei seiner Geburt angelegt waren“.

Al Juraabsolvent in die Politik

Warum wird ein junger Juraabsolvent Berufspolitiker und setzt nicht auf eine Anwaltskarriere? Bilger redet wie wenige seiner Generation: „Politik ist etwas, was mir definitiv auch Spaß macht“, versichert er. Als Novize im Parlament habe er erlebt, „dass jeder sofort für etwas verantwortlich ist und da alle Möglichkeiten hat“. In seinem Fall war das die Verkehrspolitik. Bilger rutschte für den CDU-Veteranen Georg Brunnhuber in den Verkehrsausschuss nach. Mit Stuttgart 21 vererbte ihm dieser ein schlagzeilenträchtiges Thema. Zudem sind Verkehrspolitiker zu Hause im Wahlkreis stets die Übermittler froher Botschaften. Die letzte von Bilger hieß: „500 000 Euro für Bahnhofsaufzüge.“ Der Bund hatte Fördermittel für die Barrierefreiheit beschlossen, ein Promille davon fließt in Bilgers Wahlkreis. Das ist ein Termin mit dem Oberbürgermeister wert. Termine solcher Art absolviert der CDU-Kandidat gerade in Serie. Bis zur Wahl etwa fünf bis sechs am Tag. Er wartet auch nicht immer ab, bis er eingeladen wird, sondern geht dahin, wo er potenzielle Wähler vermutet – zum Kreisseniorenrat, aber auch zur Alevitischen Gemeinde.

Auf Förderer dürfe man in dieser Branche nicht vertrauen, meint Bilger. „In der Politik muss man sich selbst behaupten.“ Er genießt jedoch offenkundig Wohlwollen bei Prominenten seiner Partei. Fraktionschef Volker Kauder wird für Bilger im Wahlkampf werben, auch Finanzminister Wolfgang Schäuble und Umweltminister Peter Altmaier haben zugesagt. Bilger betreibt seinen politischen Werdegang nicht wie ein Planspiel. Über seine bisherige Karriere sagt er: „Da hat sich immer wieder eine Tür aufgetan.“ Wer seinen Job als Abgeordneter richtig erledigen will, dem bleibt nicht viel Zeit für anderes. Bilger bleibt jedenfalls zu wenig Zeit, um wenigstens ab und an zur Entspannung mal ein bisschen Tennis zu spielen. Und gar keine Zeit bleibt ihm für seinen bürgerlichen Beruf: Er ist zwar nominell Mitglied einer Anwaltskanzlei, betreute aber kein einziges Mandat, seit er im Bundestag sitzt. Gleichwohl ist es ihm wichtig, über ein berufliches Standbein jenseits des Parlamentsbetriebs zu verfügen. In der Politik wisse man ja nie ganz genau, wie es weitergeht, sagt Bilger.