Um eine Reihe von Themen ringen die Parteien in diesem Bundestagswahlkampf besonders. Wir zeigen Herausforderungen und Lösungsmöglichkeiten auf. Diesmal geht es um die Verbesserung von Schulen.

Stuttgart - Wie soll das Land künftig aussehen? Um eine Reihe von Themen ringen die Parteien in diesem Bundestagswahlkampf besonders. Heute: Sind gleiche Standards für alle Schulen möglich?

 

Was ist das Problem?

Eltern wollen, dass ihre Kinder gleiche Chancen auf gute Bildung bekommen. In erster Linie geht es ums Geld für Schulsanierungen und Modernisierungen und um die unterschiedlichen Leistungsniveaus von Schülern. Schulen sollen in ganz Deutschland gleich gut ausgestattet sein, das Unterrichtsniveau und die Bildungsabschlüsse sollen vergleichbar sein, wünschen sich viele Eltern. Familien sind häufig genervt, wenn sie in ein anderes Bundesland ziehen und dort ein gänzlich anderes Schulsystem vorfinden. Viele Bürger empfinden es als ungerecht, dass ihr Wohnort über die Bildungschancen ihrer Kinder entscheiden könnte.

Was ist die Ursache?

Der Flickenteppich in der Bildungspolitik rührt daher, dass die Zuständigkeit für die Schulen und Hochschulen in der Hoheit der Länder liegt. Jedes der 16 Bundesländer macht seine eigene Bildungspolitik, hat eigene Schulsysteme und Prioritäten. Auch die Ausstattung der Schulen ist unterschiedlich, sogar innerhalb eines Bundeslandes. Sie hängt von den finanziellen Möglichkeiten der Städte und Gemeinden ab, die dafür zuständig sind. Die Länder finanzieren die Lehrerstellen und legen die Bildungspläne fest. Aus dem Bildungsbericht 2016 des Statistischen Bundesamtes geht hervor, dass im Jahr 2013 in Deutschland 54 Milliarden Euro allein in die öffentlichen allgemein bildenden Schulen investiert wurden. Pro Schüler gab Thüringen (8100 Euro) am meisten und Nordrhein-Westfalen (5700 Euro) am wenigsten aus. Baden-Württemberg lag knapp über dem Bundesdurchschnitt von 6500 Euro. Auch wenn viele Parteien nach mehr Einheitlichkeit rufen, verteidigen die Bundesländer ihre Kulturhoheit energisch. Sie ist eines der wenigen Profilfelder für die Landespolitik.

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Lösungsvorschlag: Kooperationsverbot abschaffen

Seit der Föderalismusreform von 2006 ist das Kooperationsverbot im Grundgesetz verankert. Es besagt, dass Bund und Länder nur in Ausnahmefällen kooperieren dürfen. Jedoch wurde erst im Juli 2017 das Grundgesetz geändert. Jetzt gilt Artikel 104c: „Der Bund kann den Ländern Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen der finanzschwachen Gemeinden (Gemeindeverbände) im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur gewähren.“ Die große Koalition hat schon ein Programm aufgelegt. Die SPD marschiert bei weiteren Änderungen voran. Ihr Spitzenkandidat Martin Schulz will das Kooperationsverbot in der Bildung komplett kippen und die Alleinzuständigkeit der Länder beschneiden. Schulz propagiert eine „nationale Bildungsallianz“, um Schulen zu modernisieren und Ganztagsschulen auszubauen. Er will zwölf Milliarden Euro Bundesgeld in die Länder lenken. Davon erhoffen sich viele eine vergleichbare Ausstattung der Schulen in ärmeren und reicheren Ländern. Nach einer Studie der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gibt es an den öffentlichen Schulen in Deutschland einen Sanierungsbedarf von 34 Milliarden Euro.

Gibt es schon Finanzspritzen des Bundes?

Schon mehrfach hat der Bund den Ländern unter die Arme gegriffen. Von 2003 bis 2009 flossen vier Milliarden Euro in den Ausbau der Ganztagsschulen. Das jüngste Angebot kam von der CDU-Bundesbildungsministerin Johanna Wanka. Sie versprach den Ländern fünf Milliarden Euro für die Digitalisierung von Schulen.

Sind einheitliche Bildungsstandards nötig?

Die Bürger wünschen sich, dass die Schulabschlüsse in den einzelnen Ländern vergleichbar sind. Die Kultusministerkonferenz, das gemeinsame Gremium der zuständigen Minister aller 16 Bundesländer, hat sich zumindest auf erste Standards verständigt. Es gibt bundesweit gültige Bildungsstandards für die Jahrgangsstufe vier der Grundschulen in den Fächern Deutsch und Mathematik. Einheitliche Standards gelten auch für den Hauptschulabschluss und die mittlere Reife. Beim Abitur haben sich die Minister auf Standards in Deutsch, Mathematik und der fortgeführten Fremdsprache verständigt. Das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) überprüft regelmäßig mit Tests an Schulen, welchen Stand die Länder erreicht haben. Regelmäßig liegen Bayern und Sachsen vorn.

Würde eine komplette Abschaffung des Kooperationsverbots zu einem bundesweit einheitlichen Schulsystem führen?

Eher nicht. Es gibt in Deutschland allein mehr als 15 000 Grundschulen und knapp 3200 Gymnasien. Die Anforderungen an die Schulen sind bereits innerhalb eines Bundeslandes extrem unterschiedlich. Eine Brennpunktschule in einer Großstadt hat andere Bedürfnisse als eine Dorfschule. Die Länder würden sich auch kaum auf ein einheitliches Schulsystem verständigen wollen. Auch die Parteien sind unterschiedlicher Meinung: Die Linke ist für die Gemeinschaftsschule für alle, die Grünen für längeres gemeinsames Lernen. Die CDU verweist entschieden auf die Zuständigkeit der Länder, hält aber am Gymnasium fest. Die FDP setzt sich für bundesweite Bildungsstandards und einheitliche Abschlussprüfungen ein. Die AfD hält am gegliederten Schulsystem fest und will, dass sich alle Schulen in Deutschland am jeweils höchsten Niveau einer Schulart orientieren. Mehrausgaben für Bildung sind jedoch konsensfähig.