Den höchsten Richtern beim Bundesverfassungsgericht zuzuarbeiten gilt als gutes Sprungbrett für die eigene juristische Karriere. Deshalb sind die Stellen in Karlsruhe gefragt.

Karlsruhe - Mitunter werden sie als „der heimliche dritte Senat“ des Bundesverfassungsgerichts bezeichnet: die wissenschaftlichen Mitarbeiter, die an Deutschlands höchstem Gericht tätig sind. Derzeit sind es 68 hochqualifizierte Juristen, die in Karlsruhe den jeweiligen Richterteams in den zwei Senaten zuarbeiten.

 

Die Positionen sind begehrt. Manche sprechen von einem „idealen Sprungbrett“ für höhere Ämter im Justizapparat. Die einstige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries war von 1988 bis 1990 hier wissenschaftliche Mitarbeiterin, der frühere Generalbundesanwalt Kay Nehm 1978 für zwei Jahre am Gericht. Auch die im Sommer dieses Jahres in ihr neues Amt eingeführte Präsidentin des Bundesgerichtshofs, Bettina Limperg, verdiente sich von 1994 bis 1996 ihre ersten Meriten. Viele Juristen, die diesen Dienst tun, empfinden ihren Posten als Privileg. So auch Christiane Schmaltz, seit 2011 dabei, und Kathleen Wolter, seit 2013 Mitarbeiterin.

Internationale Erfahrung ist gefragt

Schmaltz war vor ihrer Zeit in Karlsruhe Richterin am Oberlandesgericht (OLG) Schleswig im Norden Deutschlands. Angesichts einer Entfernung von 760 Kilometern war ein Wechsel an das Bundesverfassungsgericht nicht unbedingt zwangsläufig. Von 2009 an hatte Schmaltz allerdings zwei Jahre lang am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg gewartet. Sie war von einer Karlsruher BGH-Richterin darauf angesprochen worden, die 2011 in den Ersten Senat eingetretene Verfassungsrichterin Susanne Baer suche noch wissenschaftliche Mitarbeiter.

Die Richter entscheiden selbst, wen sie – mit sechsmonatiger Probezeit – einstellen. Schmaltz hat nun schon mehrfach verlängert, am Ende werden es dreieinhalb Jahre sein, die sie „abgeordnet“ ist von ihrer früheren Dienststelle. „Der Wechsel tut allen gut, das gibt frischen Wind“, sagt sie vor dem im März endenden beruflichen  Abstecher. Schmaltz ist inzwischen „Dienstälteste“ in dem vier Arbeitsstellen zählenden Team von Richterin Baer. Deshalb hat sie ihr Büro auch direkt bei der Chefin, im „Richterring“ – mit Blick in den Botanischen Garten.

Der Perspektivwechsel tut allen gut

So weit ist Kollegin Kathleen Wolter noch nicht. Die Berlinerin ist seit September 2013 in Karlsruhe. Wolter arbeitete nach Studium und Promotion zunächst als Anwältin, ihr Schwerpunkt ist das Strafrecht, auch sie hat internationale Erfahrungen – etwa beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Auf Karlsruhe wurde sie durch einen Mitarbeiter ihrer Hochschule neugierig gemacht: Wolter bewarb sich bei Richter Peter Müller, dem früheren saarländischen Ministerpräsidenten.

Christiane Schmaltz erkennt bei den Arbeitsabläufen Ähnlichkeiten zu ihrer früheren Tätigkeit in Straßburg: regelmäßig muss sie „Voten“ verfassen, die eingehenden Fallakten juristisch prüfen, einen Sachbericht und einen Entscheidungsvorschlag erstellen. Im Prinzip ist ein solches „Votum“ ein schriftliches Gutachten zu dem jeweils vorliegenden Fall.

Im Vergleich zu Landgerichten seien die Fälle beim Bundesverfassungsgericht „regelmäßig komplexer“, sagt sie – und „die Prüfungstiefe“ größer als beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Verhandlungen an Amtsgerichten sind dagegen im Alltag vom mündlichen Vortrag geprägt. Derzeit gehen rund 6600 Fälle jährlich beim höchsten Gericht in Karlsruhe ein, die sich auf Verfahren im Senat und mehrere Tausend Kammerverfahren verteilen: aufgeteilt auf 16 Richter und deren Stab mit derzeit 27 Frauen und 41 männlichen wissenschaftlichen Mitarbeitern.

Richter Peter Müller soll noch einen zusätzlichen Mitarbeiter bekommen: wegen des neu aufgerollten NPD-Verfahrens. Er ist zudem seit Sommer Berichterstatter für die Bereiche Wahl- und Parteienrecht. Die Richterin Susanne Baer vom Ersten Senat bearbeitet unter anderem Hochschulfragen. Die Baer und Müller zuarbeitenden Juristinnen schätzen die intensive Teamarbeit beim Bundesverfassungsgericht. „Meist entwickelt sich in der Diskussion im Team die Richtung für eine Entscheidung“, sagt Christiane Schmaltz. Austausch mit Kollegen erfolge auch senatsübergreifend. Die Titulierung ihrer Tätigkeit als die „eines Mitglieds des dritten Senats“ sieht Schmaltz dagegen eher als überhöht an. Kollegin Wolter findet aber, dies drücke ein Zusammengehörigkeitsgefühl aus.