Das Bundesverfassungsgericht lässt keinen Zweifel daran, dass die bisherigen Regeln zur Grundsteuer gekippt werden. Bund und Länderregierungen kämpfen für eine möglichst lange Frist zur Neuregelung. Wir geben Antworten auf die acht wichtigsten Fragen.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Karlsruhe - Das ist schon mehr als ein Freudscher Verspecher gewesen. Man rede im Augenblick über das bestehende Recht, nicht über das Neue sagt Ferdinand Kirchhof am Dienstag, als das Bundesverfassungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Grundsteuer berät. Der Vorsitzende des Ersten Senats lässt damit jede sprachliche Vorsicht außer acht und impliziert, dass es ein neues Gesetz geben wird, dass die bisherigen Regeln nicht viel länger Bestand haben werden. Genau das muss das Gericht aber erst noch entscheiden. Allerdings: daran, dass es bei der Grundsteuer im bisherigen Rahmen bleiben wird, das glauben nicht einmal die Vertreter der Landesregierungen oder der Bundesregierung. Schon in ihren Eingangsstatements sind die Redner bemüht, in erster Linie dafür zu werben, dass das Gericht ihnen eine möglichst lange Übergangszeit für eine mögliche Neuregelung einräumt.

 

Wer bezahlt Grundsteuer?

Praktisch jeder. In Deutschland sind rund 36 Millionen Grundstücke erfasst. Die Eigentümer müssen die Steuer bezahlen, egal ob eine Villa auf dem Grund steht, ein Mehrfamilienhaus oder gar nichts. Die Steuer ist auf die Mieter umlegbar.

Wie berechnet sich die Steuer?

Die Finanzämter bestimmten den Wert des Objekts, den sogenannten Einheitswert anhand von Lage, Nutzung und Bebauung des Grundstücks. Daraus wird ein Grundsteuermessbetrag ermittelt. Dieser wird mit dem Hebesatz der Kommune multipliziert. Hans-Joachim Lehmann, einer der Kläger, spricht von einer „Geheimsteuer“, weil kein Bürger die Chance habe, zu sehen, wie sein Grundstück oder das des Nachbarn belastet werde.

Warum wird die Steuer überprüft?

Die Bewertungskriterien für die Steuer stammen aus dem Jahr 1964 in West- und 1935 in Ostdeutschland. Seitdem ist vieles geschehen, nicht nur in Berlin, wo sich Grundstücke, die sich ehemals am Rand der Mauer befanden, nun mitten in der Stadt als Filetgrundstück präsentieren. Ursprünglich hatte der Gesetzgeber vorgesehen, die Bewertungskriterien alle sechs Jahre neu anzupassen. In mehr als 50 Jahren ist das jedoch kein einziges Mal geschehen. Der Vertreter der Bundesregierung sieht darin keine Untätigkeit, sondern eine neue Dauerentscheidung des nachfolgenden Gesetzgebers, weil sich gezeigt habe, dass der vorgesehene Turnus nicht durchzuhalten sei.

Welche weiteren Kritikpunkte gibt es?

Die Verfassungsmäßigkeit der Steuer wird in Frage gestellt, weil sich die Realität längst von den 1964 gefundenen Werten entfernt habe. Die Verzerrung führe zu einer willkürlichen Besteuerung und verletze das Gleichheitsgebot. Eine Fortschreibung der Werte unterbleibe in der Regel, weil die Finanzämter gar nicht über Änderungen auf den Grundstücken informiert werden. Heute wichtige Bereiche, wie Energieeffizienz oder ein Hochgeschwindigkeitsdatennetz seien nicht abgebildet. Ehemals ländliche Bereiche seien heute in städtische Strukturen integriert.

Wer verteidigt die Steuer?

Die Grundsteuer ist nach der Gewerbesteuer und dem Anteil an der Einkommenssteuer die wichtigste Einnahmequelle für die Kommunen. Im Jahr 2016 hat sie fast 14 Milliarden Euro eingebracht. Bund und Länder streiten seit mehr als zwei Jahrzehnten über eine Reform der Steuer, weswegen sowohl Berlin als auch nahezu alle Landesregierungen Vertreter nach Karlsruhe geschickt hatten. Deren Vertreter erklärten, die Steuer sei in der Regel unproblematisch, es gebe kaum Einsprüche dagegen. Und auch wenn die Bedeutung für Gemeinden hoch sei, so sei die Belastung für die Menschen gering. Private Haushalte müssten im Durchschnitt 0,5 Prozent des durchschnittlichen Monatseinkommens bezahlen.

Was kann das Gericht entscheiden?

Aller Voraussicht nach wird die bisherige Steuer keinen Bestand haben. Das Gericht kann dem Gesetzgeber eine Frist setzen um ein neues Gesetz zu beschließen. Vertreter von Bund und Ländern erklärten, dass sechs bis zehn Jahre nötig seien, um eine Neubewertung der Grundstücke abzuschließen. Das Gericht hat das zumindest nicht von vorneherein kategorisch ausgeschlossen .

Warum dauert die Umstellung so lange?

Daten der Finanzämter sind nicht mit den Daten der Katasterämter kompatibel, ebenso wenig mit den Grundbuchblättern der Amtsgerichte. Diese müssten miteinander verbunden werden, sagen Bund und Länder. Schließlich müssten die Kommunen noch die Hebesätze anpassen.

Was bedeutet das für den Steuerzahler?

Die Politik betont, es soll keine Steuererhöhung durch die Hintertür stattfinden. Allerdings: das gilt unter dem Strich. Im einzelnen kann es dazu führen, dass der eine mehr, der andere weniger bezahlt. Auch denkbar: Sollte das Gericht die Steuer kippen, und dem Gesetzgeber gelingt es nicht, eine neue Regel fristgerecht zu verabschieden, dann darf die Grundsteuer nicht mehr eingezogen werden. Wie die Kommunen entschädigt werden könnten oder müssten ist unklar.