Das Bundesverfassungsgericht verhandelt an diesem Mittwoch und Donnerstag über den Rundfunkbeitrag. Es geht um Recht und Politik – aber auch um familiäre Bande.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Stuttgart/Karlsruhe - Jedes Vierteljahr verschwinden sie vom Konto: 52,50 Euro, das sind umgerechnet 17,50 Euro im Monat. Dafür, dass Sandra Maischberger ihre Gäste zu bändigen versucht, dafür, dass mehr oder weniger begabte Talente beim Eurovision Song Contest in die Bütt gehen. Dafür, dass Fußballspiele in die Wohnzimmer übertragen werden und dafür, dass in der „Lindenstraße“ weiter gelebt und gelitten wird.

 

Seit 2013 muss der Rundfunkbeitrag von jedem Haushalt bezahlt werden, auch wenn dort weder Fernsehen noch Radio stehen. Wer nicht taubblind ist oder Hartz IV bezieht, kommt um den Rundfunkbeitrag nicht herum. Der hieß früher einmal Rundfunkgebühr und umgangssprachlich GEZ-Gebühr, weil die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) das Geld eingetrieben hat. Noch viel früher war es die Postgebühr, die fürs Radio und Fernsehen bezahlt werden musste. Doch egal wie sie heißt, der Ärger um die „Zwangsabgabe“, wie Kritiker sie nennen, bleibt. An diesem Mittwoch und Donnerstag befasst sich das Bundesverfassungsgericht damit, ob der Beitrag rechtens ist.

Die Zahl der Beschwerden ist gewaltig. Mehr als 400 sind in Karlsruhe eingegangen, rund 140 sind noch anhängig. Insgesamt vier hat das Gericht nun für das Verfahren zugelassen. Drei Privatpersonen und der Autovermieter Sixt dürfen begründen, warum ihrer Meinung nach der Rundfunkbeitrag gegen das Gleichheitsgebot von Artikel 3 des Grundgesetzes verstößt.

Die Richter sehen im Wesentlichen drei Probleme

Die Gliederung der Verhandlung zeigt, dass die Verfassungsrichter im Wesentlichen drei mögliche Probleme sehen: erstens, dass jeder Haushalt zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks herangezogen wird, unabhängig davon, welche Geräte sich in der Wohnung befinden. Zweitens, dass nicht differenziert wird, wie viele Menschen in dem Haushalt leben, was dazu führt, dass eine Wohngemeinschaft mit acht Personen genauso viel bezahlt wie ein Singlehaushalt. Und drittens, dass die Eigentümer von Zweitwohnungen zweimal zur Kasse gebeten werden – obwohl sie sich jeweils nur in einer Wohnung aufhalten können. Ähnlich wie bei Privateigentümern wird der gesamte Kanon an Vorschriften auch noch für den gewerblichen Bereich geprüft werden. Dass all diese Punkte Ärger bereiten könnten, war schon klar, als der Rundfunkbeitrag vor gut fünf Jahren eingeführt wurde. Dass die Rundfunkfinanzierung damals überhaupt neu geregelt wurde, erklärten die Verantwortlichen damit, dass die Empfangsgeräte Radio und Fernseher nicht mehr als Grundlage für die Berechnung der Abgabe taugten. Zunehmend ersetzen Computer, Laptop oder Handy die klassischen Informationsquellen – und deren Nutzung ist weit schwieriger zu kontrollieren als der Besitz eines Fernsehers.

Im März gab es eine Volksbefragung in der Schweiz

Begründet wurde die Abgabe mit dem bereitgestellten Leistungsangebot der öffentlich-rechtlichen Sender. Darauf, ob dieses Angebot angenommen werde, komme es nicht an. Kritiker können also nicht einfach darauf verweisen, nie mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Berührung zu kommen.

Es ist nicht das erste Mal, dass die höchsten deutschen Richter ins Grundgesetz schauen, um herauszufinden, ob die Menschen im Land wie bisher für öffentlich-rechtliches Fernsehen bezahlen müssen. Doch selten war es so spannend. Die Angelegenheit hat eine politische Dimension, natürlich eine juristische und ein klein wenig auch eine familiäre. Politisch geht die generelle Diskussion über die Rundfunkfinanzierung in eine neue Runde. Dabei ist noch nicht ganz vergessen, dass die Schweiz erst vor wenigen Wochen eine Volksbefragung über ihr Modell abgehalten hat. Mehr als 70 Prozent wollten die Gebühr letztlich beibehalten.

Die juristische und die familiäre Dimension sind schließlich aufs Engste miteinander verknüpft – und zwar mit dem Namen Kirchhof. Das rechtliche Konstrukt hinter dem Rundfunkbeitrag hat der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof ersonnen. Sein Gutachten bildet die juristische Grundlage für die aktuelle Abgabe. Der 75-Jährige gilt als einer der ausgewiesensten Steuerexperten im Land und war im Wahlkampf 2005 sogar Finanzminister im Schattenkabinett von Angela Merkel.

Juristisch führt nun Paul Kirchhofs jüngerer Bruder Ferdinand die Regie. Der 67-Jährige ist aktuell Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts und Vorsitzender des Ersten Senates, welcher sich von diesem Mittwoch an zwei Tage lang um die Verfassungsbeschwerden zum Rundfunkbeitrag kümmert. Da liegt es nahe, an eine mögliche Befangenheit zu denken. Das Gericht sieht das jedoch anders und hat entsprechende Anträge Anfang Mai zurückgewiesen. Ferdinand Kirchhof darf also überprüfen, ob Paul Kirchhofs Gutachten mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen ist.

Ärger droht auch von anderer Seite

Auch die Diskussion darüber, ob es sich bei der Rundfunkabgabe um eine verkappte Steuer handelt, wird vor dem Verfassungsgericht eine Rolle spielen. Der Steuerrechtsexperte Paul Kirchhof hat in seinem Gutachten viel Raum auf diese Frage verwendet und hält selbst eine Steuer für den falschen Weg, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu finanzieren, dem er aber gleichwohl eine finanzielle Bestandsgarantie einräumt, die vom Grundgesetz gedeckt ist. Immerhin diese Garantie haben die Verfassungsrichter in ihren bisherigen eher gebührenfreundlichen Entscheidungen auch gesehen.

Und egal, wie das Verfassungsgericht in seinem Urteil, das in ein paar Monaten erwartet wird, auch entscheidet: Ärger droht auch von anderer Seite. Das Landgericht in Tübingen hat den Europäischen Gerichtshof gefragt, ob die Abgabe mit dem Europarecht in Einklang zu bringen sei. In Polen, Tschechien oder Frankreich ist die vergleichbare Abgabe drei bis zehn Euro im Monat billiger. Menschen, die in Grenznähe wohnen, könnten auch dort bezahlen.