Schlacht um das Betreuungsgeld: Das Familienministerium, von der SPD-Politikerin Manuela Schwesig geführt, muss in Karlsruhe ein Gesetz verteidigen, das es für falsch hält.
Karlsruhe - Das Drama um das Betreuungsgeld wird seit Dienstag auf einer neuen Bühne gespielt. Da hat das Bundesverfassungsgericht in einer mündlichen Verhandlung die Klage Hamburgs verhandelt. Jahrelang hatte die Politik auf ihren Schauplätzen – in den Parlamenten und in den Fernsehtalkshows der Republik – leidenschaftlich über Sinn und Unsinn der inzwischen monatlich 150 Euro gestritten, die Familien erhalten, dessen ein- bis dreijähriger Nachwuchs keine staatlich geförderte Kinderbetreuung besucht. Nun also sollen juristische Argumente das Steckenpferd der bayerischen CSU zu Fall bringen. Es ist ein Drama, das einer gewissen Komik nicht entbehrt.
Die beklagte Bundesregierung, die das Gesetz verteidigen soll, wird in Karlsruhe durch das Familienministerium vertreten. Als die schwarz-gelbe Koalition die Regeln beschloss, wurde das Ministerium noch von Kristina Schröder (CDU) geleitet. Inzwischen steht dort SPD-Frau Manuela Schwesig an der Spitze, eine erklärte Gegnerin des Betreuungsgeldes. Öffentlich hat Schwesig so oft und so heftig gegen das Betreuungsgeld geschimpft, dass sie nun nicht selbst nach Karlsruhe kommen wollte, um dort Verteidigungsreden zu schwingen. Sie hat stattdessen ihren Staatssekretär Ralf Kleindieck geschickt – und das lässt die Angelegenheit vollends skurril erscheinen. Bevor Kleindieck nach Berlin kam, arbeitete er als Staatsrat in Hamburg – und war maßgeblich daran beteiligt, die nun zu verhandelnde Klage vorzubereiten.
Bayern ist voll des Lobes für das Betreuungsgeld
Anwälte dürften nicht auf diese Art mit der Mandantschaft umgehen, bei Beamten sieht die Sache anders aus. Die ganze Angelegenheit ist auch nicht völlig ohne Vorbild. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger musste einst die Vorratsdatenspeicherung als zuständige Ministerin verteidigen, obwohl sie persönlich machtvoll dagegen angekämpft hatte. Die FDP-Politikerin schickte ihre Staatssekretärin nach Karlsruhe und verlor – die Anhänger des Betreuungsgeldes fürchten nun also ein déja vu.
Ralf Kleindieck ist Profi. Dass er politisch nichts von dem Betreuungsgeld halte, das hat der Staatssekretär auch in Karlsruhe gar nicht erst bestritten. Allerdings sei nicht jedes politische Argument auch ein rechtliches – und allein darauf komme es an. Kleindieck hat die von Hamburg bestrittene Gesetzgebungskompetenz des Bundes sehr sachlich verteidigt – und das leidenschaftlichere Plädoyer der bayerischen Staatsministerin Emilia Müller überlassen. Die hatte schon vor der Verhandlung angekündigt, den Vertreter des Familienministeriums genau zu beobachten. In den höchsten Tönen lobte Müller nun das „inzwischen bewährte“ Betreuungsgeld und watschte die Hamburger Begründung dagegen ab: „Wenn man behauptet, das Betreuungsgeld verhindert Bildungschancen, dann ist das nicht nur falsch, das ist auch noch diffamierend.“
Ideologischer Kampf um die „Herdprämie“
Natürlich ist auch der Streit in Karlsruhe nicht in erster Linie ein Streit um Artikel und Paragrafen. Es ist die Fortführung des ideologischen Kampfes, der in den letzten Monaten nur geruht hatte. „Herdprämie“ nennen die Gegner das Betreuungsgeld und befürchten, der staatliche Zuschuss halte Frauen vom Arbeitsmarkt fern und zementiere ein altes Rollenbild. Für die Befürworter schafft das Betreuungsgeld mehr Wahlfreiheit für die Eltern und ist ein Ausgleich für die staatliche Investition in den Ausbau der Kitaplätze.
Offiziell begründet Hamburg seinen Antrag damit, dass dem Bund die Zuständigkeit für ein solches Sozialgesetz im Bereich Fürsorge fehle. Nur wenn ein Bundesgesetz zur Herstellung gleicher Lebensverhältnisse im ganzen Land notwendig sei, könne Berlin tätig werden. Das sei nicht der Fall. Im Gegenteil: Die Bundespolitik „ist nicht förderlich sondern ausdrücklich schädlich“, sagt der Hamburger Familiensenator Detlef Scheele. Zuvor hatte der SPD-Politiker ausgeführt, welche Anstrengungen der Stadtstaat unternommen habe, damit ein schmaler Geldbeutel der Eltern nicht den Kita-Besuch der Ein- bis Dreijährigen verhindere. Gebühren seien erst radikal gesenkt und dann abgeschafft worden. Das Betreuungsgeld halte nun die Kinder von der Kita – und somit von Förderung und Bildung – fern, so die Argumentation.
Eine Woche nach Ostern glich es dann einem juristischen Eierlauf, wie sich die Prozessbeteiligten mit der Frage der Gesetzgebungskompetenz auseinandersetzten. Vertreter der Hansestadt erklärten, warum der Bund zwar Kinder- und Elterngeld regeln dürfe, nicht aber das Betreuungsgeld. Die Vertreter der Bundesregierung hielten dagegen – nicht zuletzt mit Verweis auf Grundsätze, die das Verfassungsgericht kurz vor Weihnachten bei seinem Urteil zur Erbschaftssteuer entwickelt hatte. Welche Meinung die Richter des Ersten Senats vertreten, wird erst mit dem Urteil ersichtlich. Das soll im Laufe des Jahres fallen.