Das Leugnen des Holocausts gefährdet den öffentlichen Frieden und wird daher zurecht bestraft. Bei einer Verharmlosung der NS-Verbrechen ist die Sache freilich anders, entschied das Bundesverfassungsgericht.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Karlsruhe - Das Bundesverfassungsgericht hat am Freitag gleich zwei Entscheidungen veröffentlicht, bei denen es sich über den Umgang mit Nazi-Verbrechen beschäftigt hat. Den Relativieren der Vergangenheit betrachtet das Gericht dabei höchst differenziert. In einem Fall hat das Gericht die Verurteilung der notorischen Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck zu einer zweijährigen Haftstrafe gebilligt. Im anderen Fall wurde eine strafrechtliche Verurteilung wegen Verharmlosung des Holocausts aufgehoben. In beiden Fällen entschieden die gleichen drei Richter des ersten Senates.

 

Die einschlägig vorbestrafte Ursula Haverbeck hatte in mehreren Artikeln die Ermordung von Juden in Auschwitz geleugnet. Die 89 Jahre alte Frau genießt in der rechten Szene Kultstatus. Für ihre Äußerungen wurde sie zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt, die Strafe wurde später auf zwei Jahre ohne Bewährung reduziert. Die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg. „Die Verbreitung erwiesen unwahrer und bewusst falscher Tatsachenbehauptungen kann nicht zur Meinungsbildung beitragen und ist als solche nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt“, schrieben die Richter in ihrem Beschluss. Die Leugnung des nationalsozialistischen Völkermordes überschreite die Grenzen der Friedlichkeit der öffentlichen Auseinandersetzung und indiziere eine Störung des öffentlichen Friedens. Die Leugnung des Holocaust sei einer Billigung der NS-Verbrechen gleichzusetzen, so die Richter.

Den Alliierten Lügenpropaganda vorgeworfen

Im Ergebnis entgegengesetzt entschied das Gericht im Fall eines Mannes, der auf seiner Internetseite eine Audiodatei veröffentlichte, in der ein Dritter die erste Wehrmachtsausstellung, die Ende der 90er Jahre an verschiedenen Orten gezeigt wurde, wegen der teilweise unrichtig dargestellten Fotos von Soldaten kritisiert. Den alliierten Siegermächten wird dabei „Lügenpropaganda“ vorgeworfen. Menschen seien freiwillig mit der SS in Lager gegangen. Holocaust-Überlebenden wird vorgeworfen, mit Vorträgen Geld zu verdienen. Das Amtsgericht verurteilte den Mann zu 70 Tagessätzen à 30 Euro, das Landgericht erhöhte um 30 weitere Tagessätze. Zu unrecht, so das Verfassungsgericht.

Eine strafrechtliche Verurteilung wegen Billigung, Leugnung oder Verharmlosung der NS-Verbrechen komme in allen Varianten nur bei Äußerungen in Betracht, die geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu gefährden, erklären die Richter. Bei Billigung und Leugnung sei dies automatisch anzunehmen. Bei einer Verharmlosung müsse jedoch vom Gericht ausdrücklich festgestellt werden, dass der öffentliche Frieden durch die Äußerungen gefährdet sei. Dies sei vorliegend nicht geschehen.

Staat muss beunruhigende Meinungen aushalten

Die Richter erklären, dass eine „mögliche Konfrontation mit beunruhigenden Meinungen, auch wenn sie in ihrer gedanklichen Konsequenz gefährlich und selbst wenn sie auf eine prinzipielle Umwälzung der geltenden Ordnung gerichtet sind“ zum freiheitlichen Staat gehören. Eine Verharmlosung der NS-Ideologie oder eine anstößige Geschichtsinterpretation allein begründe keine Strafbarkeit. Das Landgericht Paderborn muss den Fall nun neu entscheiden. Das Grundgesetz setze darauf, dass schwer erträglichen Äußerungen nicht durch Verbote, sondern in der öffentlichen Auseinandersetzung entgegengetreten wird, gab Karlsruhe mit auf den Weg.