Im neuen Bundesverkehrswegeplan finden sich viele Autobahnabschnitte im Südwesten, die ausgebaut werden sollen. Das freut Minister Hermann. Vernichtend aber ist sein Urteil zum Schienennetz.

Stuttgart - Es ist ein 200-Seiten-Buch voller Tabellen: Der neue Bundesverkehrswegeplan (BWVP) umfasst rund 1000 Bauprojekte, die bis 2030 angepackt werden könnten. Als „stärkstes Infrastrukturprojekt, das es je gab“, bezeichnete Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) den Plan. Er hat ein Volumen in Höhe von 269,6 Milliarden Euro, davon entfallen 49,3 Prozent auf die Straße, 41,6 Prozent auf die Schiene – dieser Anteil ist in letzter Minute um 0,3 Prozent erhöht worden – sowie 9,1 Prozent auf Wasserstraßen. Die dringlichsten Projekte sind nach einem Prioritätenkonzept als „vordringlicher Bedarf“ eingestuft, darin extra gekennzeichnet sind Engpassbeseitigungen.

 

Zwei wichtige Neuerungen gibt es: Mehr Geld als früher – 69 Prozent – fließt nun in den Erhalt von Straße und Schiene statt in den Neubau, beim Verkehrswegplan 2003 waren es nur 56 Prozent. Und anders als früher gebe es jetzt eine „klare Finanzierungsperspektive“, sagt Dobrindt. Beim alten BVWP kamen nur die Hälfte aller Projekte zum Laufen, wegen fehlender Planung oder fehlender Mittel – ein Lotteriespiel sagten Kritiker.

Wie profitiert Baden-Württemberg?

Glücklich über den Straßenausbau, unzufrieden mit den Plänen fürs Schienennetz: So lässt sich die Bewertung von Verkehrsministers Winfried Hermann (Grüne) in Stuttgart zusammenfassen. Große Teile der Autobahnachsen A5, A6, A8 und A81 sind in den „vordringlichen Bedarf zur Engpassbeseitigung“ sowie den „vordringlichen Bedarf“ aufgenommen worden. Auch hat Dobrindts Ressort auf Wunsch Stuttgarts in den letzten Wochen nachgebessert und die Dringlichkeit der Ausbauten der A5 zwischen Freiburg-Mitte und Teningen sowie der A6 zwischen Autobahnkreuz Weinsberg und der bayrischen Landesgrenze erneut bestätigt, nachdem sie kurzfristig herabgestuft worden waren.

Vernichtend aber ist Hermanns Urteil zum Schienennetz, hier sei der BVWP „nicht zukunftsfähig“, sagt der Minister. Der größte Teil des Geldes fließe in die Neubaustrecke Stuttgart–Ulm oder die Rheintalbahn, für die Verbindungen zwischen Oberzentren im ländlichen Raum bliebe „nichts übrig“. Strecken wie die Gäubahn, die Hochrheinbahn oder die Bodenseegürtelbahn seien nicht hochgestuft worden.

Ist der Bundsverkehrswegeplan wirklich ein Anti-Stauprogramm?

Das Verkehrsnetz des Bundes bildet das Rückgrat der Transitlandes Deutschland. Dazu gehören 13 000 Kilometer Autobahnen, 39 000 Kilometer Bundesstraßen, das 33 000 Kilometer lange Schienennetz der Deutschen Bahn sowie Flüsse und Kanäle, die sogenannten Bundeswasserstraßen mit einer Gesamtlänge von 7300 Kilometern. Konkret sollen mit dem neuen Plan 2000 Kilometer Staustrecken auf Autobahnen verschwinden, etwa durch den Ausbau von drei auf vier Spuren je Richtung. Bei der Bahn sollen auf 800 Kilometern Nadelöhre verschwinden. „Wir haben ehrlich gerechnet, das ist das größte Anti-Stauprogramm der kommenden Jahre“, sagt der SPD-Verkehrsexperte Sören Bartol. Gestärkt werden die Hauptachsen und Verkehrsknoten: 87 Prozent der Mittel gehen in großräumig bedeutsame Vorhaben.

Hat man auf die Bürger gehört?

Erstmals war die Öffentlichkeit im Frühjahr aufgerufen, Stellungnahmen zum Entwurf des Bundesverkehrswegeplan einzureichen. Möglich waren Äußerungen zu einem Einzelprojekt „im Zusammenhang mit dem Gesamtplan“ – etwa das Aufzeigen von Widersprüchen oder falschen Zahlen bei der Berechnung eines Bedarfs. Reine Meinungen zu einem Projekt waren nicht erwünscht. Binnen sechs Wochen kamen 39 000 Stellungnahmen von Bürgern, Verbänden, Firmen, Städten und Gemeinden zusammen. Auch die Nachbarstaaten könnten sich äußern. Die Zeit sei zu knapp gewesen, um die Einwendungen ernsthaft zu prüfen, sagen Kritiker, die Beteiligung sei eine „Farce“ gewesen.

Was sagen die Umweltverbände?

Die Kritik der Umweltverbände ist geharnischt, sie hätten sich mehr für die Schiene gewünscht: „Statt in naturzerstörende Straßenneubauten müssten die Mittel in die Beseitigung der Engpässe bei den Bahnknoten investiert werden“, sagt Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Dobrindts „fahrlässige Planung“ führe zu mehr Treibhausgasen. Bei Straßenbauprojekten wie der A20, A39 A14 und der B10 Pirmasens–Landau habe es nach BUND-Recherchen Manipulationen bei den Verkehrsprognosen gegeben. Zufrieden ist der Allgemeine Deutsche Fahrradclub: Dass der Bund künftig überregionale Fahrradwege mitfinanziere, sei ein großer Schritt für die Zukunft des Radverkehrs.