Bei den Gebrigsjägern gibt es neue Missbrauchsfälle. Der Verteidigungsminister versprach rasche Aufklärung.

Berlin - Knapp zwei Wochen nach Bekanntwerden der entwürdigenden Aufnahmerituale bei den Gebirgsjägern in Mittenwald sind zahlreiche neue Missbrauchsfälle bei der Bundeswehr bekanntgeworden. Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Reinhold Robbe, erhielt nach eigenen Angaben insgesamt 54 Zuschriften von vorwiegend ehemaligen Soldaten, die von ähnlichen Ritualen und übermäßigem Alkoholkonsum berichten. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg kündigte am Dienstag in Berlin zügige Aufklärung an. Am Mittwoch will Robbe vor dem Ausschuss Stellung zu den neuen Erkenntnissen nehmen. In der überwiegenden Zahl der Zuschriften berichten ehemalige Soldaten, von ähnlichen Vorkommnissen während ihrer eigenen Zeit bei der Bundeswehr.

So schreibt ein früherer Wehrdienstleistender von Aufnahmeritualen, bei denen Neulingen ein Docht in den Hintern gesteckt und angezündet wurde. Bei anderen wurde einem Brief zufolge das Hinterteil mit einer Bohnermaschine malträtiert. Soldaten, die es nicht schafften, einen halben Liter Bier in einem Zug zu leeren, wurden dazu gezwungen, den Rest des Getränks mit dem Inhalt des Aschenbechers zu trinken, wie es weiter hieß. Robbe hatte dem Verteidigungsausschuss bereits am Montag 23 der Briefe vorgelegt. Robbe fordert, die Skandale in allen Einzelheiten aufzuklären "Wir können nur eine Klärung und eine Verbesserung in die Situation hineinbekommen, wenn zunächst einmal klar ist und aufgedeckt wird, was eigentlich stattgefunden hat - und zwar nicht nur in Mittenwald, sondern überall in der Bundeswehr", sagte Robbe dem Fernsehsender N24. "Das Ziel muss sein, diese Dinge nicht nur abzustellen, sondern für die Zukunft auszuschließen."

Auch Verteidigungsminister Guttenberg (CSU) kündigte eine umfassende Aufklärung an. "Den Fällen muss im Einzelnen nachgegangen werden", sagte er. Die Ergebnisse der Aufklärung würden zeigen, welche weiteren Schritte nötig seien. "Ich wehre mich aber dagegen, Pauschalurteile zu fällen", sagte Guttenberg. Er erklärte, dass untersucht werden müsse, ob alle nun vorliegenden Fälle aktuell seien oder manche möglicherweise schon Jahrzehnte zurück lägen. Nach genauer Aufklärung müssten "die entsprechenden Konsequenzen" gezogen werden. Vor zwei Wochen hatte sich ein Soldat bei Robbe über Missbräuche bei den Gebirgsjägern in Mittenwald beschwert. Demnach mussten Wehrdienstleistende dort bis zum Erbrechen Alkohol trinken und rohe Schweineleber, Rollmöpse und Frischhefe essen, um in einer internen Hierarchie aufzusteigen. Guttenberg, der Anfang der 90er Jahre selbst in Mittenwald gedient hat, bekam nach eigenen Angaben während seiner Dienstzeit nichts von Misshandlungen an Wehrpflichtigen mit.