Die Bundeswehr zieht die Konsequenzen aus der strategischen Neuaufstellung im Weißbuch 2016 und muss sich wieder einmal neu aufstellen. In einem Geheimpapier erklärt die Truppe, was sie braucht, um ihr neues Fähigkeitsprofil zu erfüllen. Das kostet viel mehr Geld als bisher vorgesehen. Streit zeichnet sich ab.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Dass die Bundeswehr wachsen soll, ist klar, seit die Bundesregierung mit dem Weißbuch 2016 die Streitkräfte strategisch neu aufgestellt hat. Aber was die Truppe genau benötigt, um Landes- und Bündnisverteidigung sowie Krisen- und Konfliktintervention außerhalb des Nato-Territoriums gleichrangig bewältigen zu können, war bisher nicht festgelegt. Jetzt haben die Militärplaner das neue Fähigkeitsprofil für die deutschen Streitkräfte erstellt und dem Bundestag zugeleitet.

 

Das Papier, das als Geheimsache eingestuft ist und das der Generalinspekteur Eberhard Zorn am Montag unterschrieben hat, hat es in sich: Bis 2031 soll die Bundeswehr demnach im Heer drei voll ausgerüstete und ausgestattete Divisionen mit acht Brigaden, vier große Einsatzverbände der Luftwaffe und die Marine zwei Einsatzflottillen mit bis zu 25 Kampfschiffen und acht U-Booten haben. Das hat unsere Zeitung aus gut informierten Kreisen erfahren.

2023 soll die deutsche Nato-Speerspitze keine Ausrüstung mehr leihen müssen

Als Nahziel haben die Militärplaner angepeilt, bis 2023 eine voll ausgestattete Brigade einschließlich Kräften der Luftwaffe und der Marine verfügbar zu haben, damit die Bundeswehr ihren Nato-Verpflichtungen nachkommen und die Führung der sogenannten „Speerspitze“ übernehmen kann; so heißt die besonders schnelle Eingreiftruppe mit der höchsten Bereitschaftsstufe der Nato im Militär-Jargon. Diese Aufgabe übernimmt die Bundeswehr nicht zum ersten Mal. In der Vergangenheit aber musste die Truppe die nötige Ausrüstung – bis zu 15 000 Teile – für die Speerspitze aus allen Teilen der Bundeswehr zusammenborgen.

Dass damit 2023 Schluss sein soll, hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) vor einigen Monaten schon bei einer Führungskräftetagung der Bundeswehr angekündigt. Auch die Trendwenden bei der Material– und Personalausrüstung der Streitkräfte sind im Prinzip bereits bekannt. Jetzt aber haben die Militärplaner erstmals dargelegt, was aus ihrer Sicht zur Erfüllung der Aufgaben notwendig ist. „An diesem großen Modernisierungsplan haben wir die letzen zwei Jahre gearbeitet“, sagte von der Leyen dazu. „Er zeigt in drei Schritten 2023, 2027 und 2031 wohin die Reise geht.“ Die Personalstärke soll bis 2024 auf 198 000 Soldaten und 61 000 Zivilisten wachsen und danach regelmäßig überprüft werden.

Der Finanzbedarf der Truppe übersteigt die Planungen deutlich

Der Finanzbedarf der Truppe wird damit deutlich höher als bisher in der Finanzplanung der Bundesregierung veranschlagt. Sie sieht einen Aufwuchs des Wehretats auf 43,9 Milliarden Euro bis 2022 vor. „Die Planungen gehen davon aus, dass wir uns bis 2023 auf einen jährlichen Finanzbedarf von etwa sechzig Milliarden Euro hinbewegen müssen“, erklärte der CDU-Verteidigungsexperte Henning Otte in Reaktion auf das neue Fähigkeitsprofil der Streitkräfte. „Es ist erforderlich, die dringend benötigten Finanzmittel zur Verfügung zu stellen“, ergänzte er.

Für den Koalitionspartner SPD, der sich mit einer weiteren Aufstockung des Verteidigungsetats schwertut und das Zwei-Prozent-Ziel der Nato bisher ablehnt, reagiert der verteidigungspolitische Sprecher der Fraktion, Fritz Felgentreu, gegenüber unserer Zeitung verhalten. Er sprach von einem „gut durchdachten Wunschzettel“, von „einer Vision der Bundeswehr, die wir so nicht haben“ und nannte die Absicht, bis 2023 eine Brigade voll auszurüsten, „ein realistisches Nahziel“. Ihm fehlten in dem Konzept allerdings konkrete Hinweise, wie man die Auffüllung hohler Strukturen – das sind Einheiten, denen Waffen und Geräte zur Auftragserfüllung fehlen – anpacken wolle.

SPD sieht das Haushaltsjahr 2019 als Nagelprobe

Felgentreu ist nach eigenen Worten nach wie vor skeptisch, ob das Verteidigungsministerium, das Beschaffungs-, Personal- und Infrastrukturamt der Bundeswehr die Fähigkeiten haben, die Investitionspläne fristgerecht überhaupt umzusetzen. „Wenn es ein fundiertes, durchdachtes Projekt gibt, dann wird es nicht am Geld scheitern“, betonte er. Allerdings sieht er das Haushaltsjahr 2019, in dem der Wehretat um vier auf 42,9 Milliarden Euro steigt, als „Nagelprobe für das Ministerium und die Zivilverwaltung“. Das klingt nicht, als wolle die SPD die neuen Umbaupläne der Truppe rasch durchwinken und finanzieren.