Ursula von der Leyen übt sich in der Flucht nach vorne – und besuchte den Stützpunkt des Jägerbataillons, in dem der rechtsextreme Franco A. diente. Über dessen Vergangenheit und das Vorgehen der Bundeswehr kommen indes immer mehr Details ans Licht.

Stuttgart - Jetzt zählen vor allem symbolträchtige Bilder, weiß Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Sie sollen ihr Image der Chefaufklärerin unterstreichen und zeigen, wie ernst es ihr mit der Beseitigung rechtsextremer Umtriebe in der Truppe ist. Deshalb ist sie kurz entschlossen mit einer großen Medienschar und Generalinspekteur Volker Wieker im Gefolge von Berlin ins elsässische Illkirch bei Straßburg geflogen. Im Jägerbataillon 291 – Teil der deutsch-französischen Brigade – hat der rechtsextreme Oberleutnant Franco A., der wegen Terrorverdachts in U-Haft sitzt, gedient. „Es wird noch einiges hochkommen“, sagt sie. „Da muss man beherzt rangehen und mit dem Willen, etwas zu verändern, das Bessere aufbauen.“

 

Was lässt sich mal so eben über Mittag in Illkirch aufklären? Von der Leyen lässt sich vom Inspekteur des Heeres, Jörg Vollmer, und dem örtlichen Kommandeur, Oberstleutnant Marc-Ulrich Cropp, über den Stand der Untersuchungen unterrichten. Nicht nur das Umfeld, sondern auch der gesamte Werdegang des Soldaten A. werde untersucht, sagt sie. „Das ist ein Puzzle, das sich nach und nach formt.“

„Ein radikalnationalistischer, rassistischer Apell“

Zuvor hatten die Inspekteure von Heer und Streitkräftebasis Untersuchungsteams an die Standorte Illkirch, Schwarzenborn, Idar-Oberstein und Munster geschickt sowie Kontakt mit der französischen Militärakademie Saint-Cyr aufgenommen. Dort hat Franco A. 2014 seine erste Masterarbeit mit dem Titel „Politischer Wandel und Subversionsstrategie“ verfasst, die von der Leyen nun als „klar rassistisch und rechtsextrem“ einstuft.

Zum Umgang damit kommen weitere Details ans Licht: Kurz nachdem die Eliteakademie die Arbeit wegen rassistischer Argumente als „nicht bestanden“ gewertet hatte, beauftragte die Bundeswehr einen Gutachter. Der kam zu einem klaren Urteil: „Bei dem Text handelt es sich nach Art und Inhalt nachweislich nicht um eine akademische Qualifikationsarbeit, sondern um einen radikalnationalistischen, rassistischen Appell, den der Verfasser mit einigem Aufwand auf eine pseudowissenschaftliche Art zu unterfüttern versucht“, schrieb er im Januar 2014. Der Text von A. sei „ein Aufruf dazu, einen politischen Wandel herbeizuführen, der die gegebenen Verhältnisse an das vermeintliche Naturgesetz rassischer Reinheit anpasst“. Im Begleitschreiben zum Gutachten notiert der Sachverständige: „Es würde mich sehr interessieren, welche Konsequenzen es hat.“

A. behauptet, es habe sich nur um ein Rollenspiel gehandelt

Tatsächlich gab es fast keine, wie ein Aktenvermerk des Wehrdisziplinaranwalts des Streitkräfteamts vom 27. Januar 2014 belegt. Demnach konnte Franco A. seinem Gegenüber offenbar weismachen, dass er in seiner Arbeit nur eine Art Rollenspiel vorgenommen habe, wie er es an der Militärakademie bei einem anderen Thema schon erlebt hätte. Der Wehrdisziplinaranwalt bescheinigt A. jedenfalls, dass sich „die Zweifel an seiner Grundgesetztreue“, die in Paragraf 8 des Soldatengesetzes gefordert wird, zerstreut hätten. Seine Arbeit werde „als missglückter, weil nicht hinreichend erläuterter Versuch gewertet, die aufgestellten wissenschaftlichen Thesen als jemand zu präsentieren, der lediglich in die Rolle eines Protagonisten subversiver Tätigkeit geschlüpft sei“. Es sei ein Dienstvergehen, das „eher am unteren Rand der Pflichtwidrigkeit anzusiedeln“ sei. Stattdessen sah der Wehrdisziplinaranwalt den Soldaten sogar als Opfer. „Angesichts der ihm unzweifelhaft zugeschriebenen hohen Intellektualität“ sei er „ein Opfer seiner eigenen intellektuellen Fähigkeit in der Darstellung geworden“.

Der Chef des Streitkräfteamtes folgte dieser Beurteilung. So schloss Franco A. sein Studium mit einer neuen Arbeit im selben Jahr ab und wurde Berufssoldat. Dass der Vorfall nicht in der Personalakte und als Auftrag beim Militärischen Abschirmdienst landete, habe ihn „außerordentlich überrascht“, wie Generalinspekteur Wieker sagt, „weil die Vorwürfe derart gravierend sind, dass es sofort einer Weiterung der Untersuchung bedurft hätte.“

Die Soldaten sind verstimmt

Anschauungsunterricht erhalten die Ministerin und ihr „GI“ beim kurzen Blick in einen Aufenthaltsraum für Unteroffiziere – intern „Bunker“ genannt. Dort sind Devotionalien wie Helme, Waffen und Zeichnungen ausgestellt, die an die Wehrmacht erinnern – woran Franco A. und andere mitgewirkt haben sollen. „Die Wehrmachts-Exponate sind in keiner Form traditionsstiftend für die Bundeswehr“, betont von der Leyen. Dies gehöre zum Allgemeinwissen. „Umso fragwürdiger ist es, dass diese Exponate in diesem Raum sind, weil das Bataillon erst seit 2010 aufgebaut worden ist.“ Das Jägerbataillon ist in der Tat jung. Insgesamt 650 Soldaten gehören den zwei Jägerkompanien und der Aufklärungskompanie an. Es ist der einzige dauerhaft im Ausland stationierte Kampftruppenverband der Truppe.

Kommentare von Soldaten gegenüber Journalisten erklärt die Bundeswehr bei diesem Termin für unerwünscht. Grund seien die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, sagt ein Presseoffizier. „Das ist kein Maulkorb, es geht um die Sache.“ Dass viel Unverständnis in der Truppe für die allgemeine Aufregung herrscht, wird am Rande dennoch deutlich. „Da muss nur ein Soldat ein Taschentuch zur Nase führen und falsch die Hand heben, schon kann das nach oben gemeldet werden“, rettet sich ein Offizier in Ironie. Keine Großorganisation sei mehr sensibilisiert und transparenter im Aufklären als die Bundeswehr.

„Die ganz große Mehrheit hat meinen Respekt“

Doch von der Leyen steht unter Druck, also tritt sie die Flucht nach vorne an. Welche personellen Konsequenzen sie ziehen wird, lässt sie offen. Sie deutet aber an, die Wehrdisziplinarordnung verschärfen zu wollen. Kanzlerin Angela Merkel hat ihr volle Unterstützung zugesagt. Dies wertet von der Leyen nach ähnlichen Erfahrungen früherer Minister, die bald nach dem Merkel-Bekenntnis zurücktreten mussten, nicht als Bedrohung. Ob sie noch einmal die Haltung der Soldaten und Führungsschwächen kritisieren würde? „Wir sollten uns vor Pauschalierungen hüten“, erwidert sie. „Aber gerade weil sie einen so guten Dienst leisten, ist es umso bitterer, dass eine kleine Minderheit den guten Ruf der Bundeswehr beschädigt.“ Pathetisch fügt sie hinzu: „Die ganz große Mehrheit hat meinen Respekt, und wir sind alle stolz auf sie.“ Nach knapp drei Stunden ist die Chefaufklärerin wieder gen Berlin entschwunden. Mission erfüllt.