Die Bundeswehr braucht bis 2023 insgesamt 14 300 zusätzliche Soldaten – eigentlich. Aber die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen geht vor der Aufgabe in die Knie, dieses Soll auch zu erreichen.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Fast ein Jahr lang hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ihr Ministerium analysieren lassen, wie der Personalbedarf der Bundeswehr aktuell ist. Das Ergebnis ist eindeutig: Die Truppe müsste bis 2023 insgesamt 14 300 zusätzliche Soldaten und 4400 weitere Zivilisten einstellen. Wie die Ministerin mit diesem Bedarf umgehen will, ist dagegen nicht so leicht zu verstehen. Jedenfalls will sie sich nach eigenem Bekunden den Schuh nicht anziehen, wenigstens den Versuch zu unternehmen, die erkannte Lücke vollständig zu schließen. Den Bedarf an Zivilisten glaubt von der Leyen decken zu können. Doch beim militärischen Personal sieht die ehemalige Arbeitsministerin große Schwierigkeiten, die notwendigen Kräfte für die Truppe auf dem Arbeitsmarkt zu finden. Tatsächlich will von der Leyen bis 2023 lediglich 7000 zusätzliche Stellen für Soldaten schaffen; davon soll ein erheblicher Teil von Personen besetzt werden, die bereits bei der Bundeswehr sind und ihre Dienstzeit einfach verlängern. 3500 zusätzliche feste Dienstposten will von der Leyen für freiwillige Wehrdienstleistende schaffen. 1500 Stellen will die Ministerin durch interne Optimierungen besetzen. Damit bleibt 2023 eine quasi amtlich geplante Lücke von 2300 Militärstellen. Davor, alle nötigen Stellen zu besetzen und die Truppenstärke bis 2023 auf knapp 200.000 Soldaten und gut 60 000 Zivilisten zu erhöhen, hat Ursula von der Leyen quasi schon kapituliert.

 

„Wir müssen wegkommen von einem Prozess des permanenten Schrumpfens“, sagte die Ministerin zu ihren Plänen in Berlin und lenkte damit den Blick darauf, dass sie nach 25 Jahren des Kürzens und Streichens bei der Truppe eine Trendwende einleitet. „Wir müssen weg von den starren Obergrenzen, hin zu einem atmenden Personalkörper“, sagte von der Leyen bei der Vorstellung der Pläne. Von der Leyen nimmt für sich in Anspruch, ein modernes Personalmanagement in der Truppe zu begründen. Aber abgesehen von 500 zusätzlichen Sanitätern und 160 Spezialkräften bei Heer und Marine nannte sie keine Zahlen, wo der Aufstockungsbedarf in der Truppe am größten ist. Lediglich in allgemeiner Form verwies sie auf Kräfte für die maritime Verlegefähigkeit sowie einen zweiten Einsatzflugplatz, Personalbedarf bei den Flugabwehrstaffeln und für die Auswertung von Luftbildern. Wie sich der Personalbedarf auf Heer, Luftwaffe, Marine, Streitkräftebasis und Sanität insgesamt verteilt, ließ sie offen.

Auf den ersten Blick leuchtet es nicht ein, dass 185 000 Soldaten zu wenig sind, um dauerhaft Auslandseinsätze mit derzeit 3400 Mann durchzuhalten. Schließlich waren in den Hochzeiten des Afghanistaneinsatzes zeitweise um die 10 000 deutsche Soldaten in den verschiedenen Missionsgebieten unterwegs. Allerdings hat die Bundeswehr strukturell damit zu kämpfen, dass bestimmte Fachleute, die in nahezu jedem Einsatz benötigt werden, nicht in ausreichender Zahl verfügbar sind. So gibt zum Beispiel in der ganzen Truppe nur sechs Bundeswehrsoldaten, die bei der Luftbetankung von Flugzeugen, den Rüssel des Tankschlauchs steuern können. Das mag in früheren Zeiten ausgereicht haben, als die Bundeswehr mit den beiden Großeisätzen in Afghanistan und auf dem Balkan nur eine begrenzte Zahl paralleler kleinerer Operationen zu stemmen hatte. Neuerdings aber gibt es deutlich mehr parallel laufende kleinere Auslandseinsätze und bei den internationalen Militärkooperationen sind Lufttransportkapazitäten samt Tankinfrastruktur fast immer Mangelware. Das gleiche gilt für die Aufklärungsexperten für Luftbilder. Davon gibt es bei der Bundeswehr siebzig; derzeit reiche das noch, meint der SPD-Bundestagsabgeordnete Rainer Arnold. „Aber wenn eine weitere Drohne nach Mali kommt, wird es mit der Bildauswertung eng.“ Schnelle Abhilfe ist nicht in Sicht: die Ausbildung zum Luftbildauswerter dauert zwei Jahre.