Die Bundeswehr sucht zusätzliche Soldaten, doch nur wenige Jugendliche scheinen motiviert. Die Union macht nun Tempo und will „zügige Ergebnisse“ sehen. Scholz sieht Personalmangel weniger dramatisch.

Digital Desk: Michael Maier (mic)

Der CSU-Politiker Florian Hahn fordert angesichts der veränderten Bedrohungslage die Wiedereinführung der Wehrpflicht noch in diesem Jahr. „Die Aussetzung der Wehrpflicht passt nicht mehr zur aktuellen Gefährdungslage. Noch im Jahr 2025 müssen die ersten Wehrpflichtigen durch die Kasernentore schreiten“, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion der „Bild“-Zeitung.

 

Der Abgeordnete warnte davor, tatenlos zuzusehen, „wie die Welt um uns herum unsicherer wird“. Deutschland brauche jetzt „eine glaubwürdige Abschreckung durch personelle Aufwuchsfähigkeit“. Diese müsse auch „durch wehrwillige und wehrpflichtige Bürger in Uniform“ erreicht werden. Nun werden in der öffentlichen Debatte wieder einmal Argumente pro und contra Wehrpflicht ausgetauscht.

Auch das Thema „allgemeine Dienstpflicht statt Wehrpflicht“ ist im Gespräch, dürfte aber nach Ansicht von vielen Juristen schon durch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) gegen Zwangsarbeit ausgeschlossen sein. Im Übrigen gibt es im Grundgesetz bestimmte die unveräußerliche Grundrechte, die der so genannten Ewigkeitsgarantie unterliegen und auch mit 2/3-Mehrheit unantastbar bleiben.

Joschka Fischer für Frauen-Wehrpflicht

Grünen-Politiker Joschka Fischer hat sich trotzdem dafür ausgesprochen, auch junge Frauen zu den Waffen zu rufen. „Ich war ein Befürworter der Abschaffung“, sagte der 76-Jährige, der sich als junger Mann in den Reihen der APO als Steinewerfer gegen den Staat betätigt hatte und später dann im Gegensatz zu seinen früheren Überzeugungen eine deutsche Kriegsbeteiligung auf dem Balkan ermöglicht hatte. Nun vollzieht Fischer gegenüber dem „Stern“ also eine weitere politischen Kehrtwende.

„Das war ein Fehler, den wir revidieren müssen“, meinte er. Die Wehrpflicht müsse nun wieder eingeführt werden – „für beide Geschlechter“, so zumindest Fischer in gewohnt radikaler Manier. Eine dafür erforderliche verfassungsändernde Zwei-Drittel-Mehrheit dürfte im Bundestag jedoch nicht ohne Weiteres vorhanden sein. Auch ist die Frage, ob eine traditionell eher pazifistisch gesinnte deutsche Zivilgesellschaft so etwas widerstandslos hinnehmen würde.

Wehrpflicht seit 2011 ausgesetzt

Die Wehrpflicht war in Deutschland 2011 unter Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nach 55 Jahren ausgesetzt worden. Das kam einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst gleich, denn gleichzeitig wurden praktisch alle Strukturen der Wehrpflicht aufgelöst.

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, forderte, noch in diesem Jahr eine Wehrpflicht nach schwedischem Vorbild mit verpflichtender Einberufung einzuführen. „Ohne eine Art neue Wehrpflicht werden wir das Personal, das wir brauchen, nicht gewinnen und halten können“, sagte er dem Sender Welt-TV.

Geschichte der Wehrpflicht in Westdeutschland

  • 1955: NATO-Beitritt
  • 1956: Einführung der Wehrpflicht in der BRD
  • Galt für deutsche Männer zwischen 18 und 45 Jahren
  • Bei Spannungs- und Verteidigungsfall bis 60 Jahre
  • Recht auf Kriegsdienstverweigerung mit zivilem Ersatzdienst
  • Ab 1957: 12 Monate
  • 1962-1972: 18 Monate (Hochphase des Kalten Kriegs)
  • Bis zur Wiedervereinigung: 15 Monate
  • Bundeswehr hatte ca. 495.000 Soldaten, im Verteidigungsfall bis zu 1,3 Mio. möglich
  • Reduzierung auf 370.000 Soldaten (2+4-Vertrag)
  • 2002: Verkürzung auf 9 Monate
  • 2011: Verkürzung auf 6 Monate
  • 2011: Aussetzung der Wehrpflicht

SPD, Grüne und FDP bislang zurückhaltend bei Wehrpflicht

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte einen Gesetzentwurf für ein neues Wehrdienstmodell vorgelegt. Danach sollen junge Männer verpflichtend Auskunft über ihre Wehrbereitschaft und -fähigkeit geben. In der Koalition aus SPD, Grünen und FDP gab es jedoch keine Unterstützung für eine volle Wehrpflicht. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte im Mai 2024 den Personalmangel der Bundeswehr als „überschaubare“ Aufgabe bezeichnet. 

Die neue Bundesregierung könnte demnächst neu über eine neue Wehrpflicht in Friedenszeiten zu entscheiden haben – obwohl diesbezüglich kein Zwang zum Handeln besteht. Für Konfliktzeiten sieht das Wehrpflichtgesetz ohnehin vor, dass die Wehrpflicht für Männer wieder auflebt, wenn der Bundestag den Spannungs- und Verteidigungsfall feststellt. Im Übrigen gibt es laut Medienberichten derzeit gar nicht genug Kasernen für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht. Viele sind stillgelegt, dienten zeitweise als Impfzentren oder werden als Flüchtlingsunterkünfte benötigt.