Die Bundeswehr soll nach dem Willen ihrer Ministerin künftig nicht mehr alle militärischen Fähigkeiten vorhalten, sondern verstärkt auf Kooperation setzen.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) plant eine Kurskorrektur bei der Aufstellung der Bundeswehr. Die deutschen Streitkräfte sollen künftig nicht mehr wie bisher sämtliche militärischen Fähigkeiten vorhalten, sondern sich in noch zu definierenden Bereichen auf Kooperationen mit anderen Streitkräften verlassen. Das wurde an diesem Donnerstag in Berlin aus dem Verteidigungsministerium bekannt.

 

De Maizières Leitprinzip gilt nicht mehr

Damit bricht Ursula von der Leyen mit einem der Prinzipien, die ihr Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) bei der Bundeswehrreform im Jahr 2011 als Leitlinie ausgegeben hatte. Unter de Maizière galt die Devise „Breite vor Tiefe“. Dieser Fachbegriff aus dem Militärjargon formuliert den klaren Auftrag an die Bundeswehr, sämtliche militärischen Fähigkeiten („Breite“) wenigstens in kleinen Mengen vorzuhalten und strukturelle Lücken in der militärischen Handlungsfähigkeit zu vermeiden; im Zweifel – etwa aus Personal- oder Finanznot – seien eher Abstriche bei der Durchhaltefähigkeit von Truppenteilen im Einsatz („Tiefe“) in Kauf zu nehmen.

Was wegfallen soll, ist noch offen

Dieser Grundsatz erscheint von der Leyen zu starr. Sie hat deshalb eine „angemessene Breite“ als Zielmarke für die Bundeswehr ausgegeben. Welche Fähigkeiten – und damit auch welche Gerätschaften – in der Truppe in absehbarer Zeit den „kw“-Vermerk („kann wegfallen“) erhalten, ist allerdings noch offen.

Von der Leyen hat sich, wie es heißt, bei dieser Entscheidung von drei Erkenntnissen leiten lassen. Erstens werde die Bundeswehr von jeher multilateral im Bündnis eingesetzt und nie im Alleingang. Zweitens sei die „Breite“ des Fähigkeitsprofils auch bisher relativ gewesen, was schon daran zu erkennen sei, dass die Bundeswehr weder Flugzeugträger noch Kavallerie vorhalte. Und drittens hat die Ministerin die Stärkung multinationaler Kooperationen als klares Ziel ausgegeben. Prinzipiell kann sich von der Leyen auch vorstellen, Einheiten der Bundeswehr anderen Streitkräften zu unterstellten. Bisher gab es nur den umgekehrten Weg – etwa bei der Integration einer niederländischen Brigade in eine Division Schnelle Kräfte der Bundeswehr .

Wegen Deutschlands Rolle in der Nato und von der Leyens Bekenntnis zu einer gewachsenen außenpolitischen Verantwortung Deutschlands ist nicht vorstellbar, dass die Truppe Kernfähigkeiten ausmustern wird. Im Gegenteil ist die Bundeswehr wegen der neuen Bedrohungslage an der Ostgrenze des Bündnisgebiets durch Russland gerade dabei, abgeschmolzene Fähigkeiten des Heeres wiederaufzubauen.

So wurden 225 Leopard-II-Kampfpanzer bei der Neuausrichtung der Truppe vor knapp vier Jahren als Sollstärke angenommen. Vor Kurzem hat von der Leyen angekündigt, dass die Truppe künftig kein funktionierendes Material mehr verkauft oder verschrottet. Inzwischen hat die Bundeswehr auch wieder Klarheit darüber, wie viele „Leos“ überhaupt in ihren Depots stehen. Aktuell gibt es bei der Bundeswehr 273 Leopard II in moderner Ausführung; von denen sind laut Ministerium prinzipiell 28 für die Abgabe an Polen vorgesehen. Wenn es dabei bliebe, würden die deutschen Streitkräfte also 245 dieser 60 Tonnen schweren Waffensysteme behalten.

Ob die Ministerin diesmal alle Berichte unterschreibt?

Gut ein Jahr, nachdem Ursula von der Leyen den früheren Staatssekretär und den Rüstungsabteilungsleiter gefeuert hat, weil sie mit der Informationspraxis über wichtige Beschaffungsprojekte unzufrieden war, steht kommende Woche das nächste „Rüstungsboard“ an. Im vergangenen Jahr unterzeichnete von der Leyen bei diesem Termin keinen einzigen der 15 Projektberichte über die wichtigsten Beschaffungsvorhaben. Zwischenzeitlich hat sie ihre neue Staatssekretärin Katrin Suder engagiert, Gutachten erstellen lassen und Reformen in die Wege geleitet. Insgesamt sieht das Haus sich gut aufgestellt. Dass von der Leyen dieses Jahr alle Projektberichte unterzeichnet, ist aber offenbar noch nicht gesichert. Für die Beratung des Gremiums in Koblenz seien bis zu sieben Stunden vorgesehen.