In der Region ist die Attraktivität der Bibliotheken sehr unterschiedlich. Göppingen liegt im Bibliotheksindex an der Spitze.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)
Stuttgart - Der Lesehunger ist enorm in der Region Stuttgart, und also ist vielleicht doch etwas dran an der Behauptung, in und um Stuttgart lebten besonders viele Gscheidle. Die Statistik untermauert dies zumindest: In der Region leiht jeder Einwohner im Schnitt sechs Bücher pro Jahr in einer öffentlichen Bücherei aus - in Baden-Württemberg liegt der Wert bei 5,7 und bundesweit nur bei 4,5.

Die Deutsche Bibliotheksstatistik schlüsselt ihre Daten für 2009 bis hin zur einzelnen Bücherei auf, so dass erkennbar wird, welche Bücherei besonders gut frequentiert und damit für die Nutzer besonders attraktiv ist. Das Ergebnis ist für die Region Stuttgart äußerst interessant: Die größten Leseratten sitzen nicht in Stuttgart oder Ludwigsburg, sondern in Weilheim/Teck (15,8 Entleihungen pro Einwohner) und Bönnigheim (15,77).

Kooperationen mit Schulen


Ellen Keller-Bitzer, die Leiterin der Stadtbücherei Weilheim, führt diese hohe Nachfrage auf mehrere Faktoren zurück. So sei die Bücherei in einem renovierten historischen Gebäude untergebracht, was dem Haus ein schönes Ambiente verleihe. Vor allem aber habe die Bücherei mit allen Schulen der Stadt Kooperationen geschlossen: "Durch die vielen Projekte sind 80 Prozent der Weilheimer Schüler aktive Leser bei uns", sagt Ellen Keller-Bitzer. Daneben sei ihr Haus personell noch so ausgestattet, dass man die notwendige Arbeit leisten könne. Das ist keine Selbstverständlichkeit mehr: Fast alle Büchereien mussten schmerzliche Sparrunden über sich ergehen lassen. So wurden im Jahr 2001 in Baden-Württemberg 145 Millionen Euro für öffentliche Büchereien eingesetzt; fünf Jahre später sind es zehn Prozent weniger gewesen - Tendenz weiter sinkend. Kein Wunder, dass viele Büchereien deshalb Gebühren eingeführt haben. Meist liegt die Jahresgebühr zwischen zehn und 15 Euro.

Das Weilheimer Konzept ist auf jeden Fall erfolgreich: Im Jahr 2001 verzeichnete die Stadtbücherei 58.000 Entleihungen; im vergangenen Jahr waren es 150.000. Schon dies beweist, dass in den Landkreisen um Stuttgart nicht weniger gelesen wird als in der Landeshauptstadt selbst - obwohl dies die Statistiken suggerieren. Doch in die Statistik für die Landkreise sind eben auch die vielen kleinen Gemeindebüchereien eingeflossen, die oft nur wenige Stunden in der Woche geöffnet haben. Gerade die Stadtbüchereien in den großen Kreisstädten erreichen fast immer einen Wert um zehn Entleihungen pro Jahr, wie er auch in Stuttgart gilt.

Bundesweiter Leistungsvergleich


Die Deutsche Bibliotheksstatistik wertet allein Zahlen aus - der Bibliotheksindex BIX versucht dagegen über Faktoren wie Kundenorientierung, Wirtschaftlichkeit oder Entwicklungspotenzial auch die Qualität zu erfassen. Dieser bundesweite Leistungsvergleich ist freiwillig, jährlich nehmen etwa 270 öffentliche Büchereien daran teil. Insgesamt finden sich immerhin acht Bibliotheken der Region Stuttgart unter den ersten zehn ihrer Klasse. In der Klasse von 50.000 bis 100.000 Einwohner steht nun schon zum zweiten Mal in Folge die Stadtbibliothek Göppingen bundesweit an erster Stelle.

Deren Leiterin Angela Asare sieht vor allem in einer konsequenten Orientierung an den Wünschen der Kunden den Schlüssel zum Erfolg. So sei es wichtig, dass die Kunden schnell auch Neuerscheinungen lesen könnten - Göppingen schafft deshalb häufig fünf Exemplare an. Die Mehrkosten fließen über einen Bestsellerzuschlag von zwei Euro an die Bücherei zurück. Daneben kämpft Angela Asare um jedes neue Buch: "Wir versuchen, unseren Medienetat stabil zu halten", sagt sie.

Neue Technik entlastet das Personal


Da auch Göppingen sparen muss, geht die Stadtbibliothek lieber in der Technik neue Wege. So hat man sich jetzt einen Rückgabeautomat angeschafft, der die Medien auch sortiert - das entlastet das Personal. Die gute Platzierung im Bibliotheksindex ist für Angela Asare im Übrigen mehr als nur eine Auszeichnung: Der Gemeinderat bewillige einen Etat leichter, wenn er weiß, dass die Qualität der Bildungsarbeit sehr hoch ist.

Trotz Digitalisierung haben öffentliche Bibliotheken weiter eine enorme Bedeutung - dies unterstrich Monika Ziller, die Vorsitzende des Deutschen Bibliotheksverbands, bei der Präsentation des neuen Bibliotheksindex. "Der Index zeigt eindrucksvoll die Stärke der Büchereien als populäre Bildungseinrichtungen und als Vermittler von Medien- und Informationskompetenz." Auch in ökonomisch schwierigen Zeiten dürfe diese Basis des Bildungssystems nicht wegbrechen. Zumal die Büchereien längst ebenfalls den Schritt in die digitale Welt vollzogen haben - in Hochschulbibliotheken werden bereits 30 Prozent des Etats für E-Books, Software und elektronische Fachzeitschriften ausgegeben.

Weitere Informationen unter www.bibliotheksstatistik.de » www.bix-bibliotheksindex.de »