Baden-Württemberg verliert seinen Spitzenplatz im bundesweiten Schülervergleich. Jetzt hilft nur noch intensive Ursachenforschung und bessere Unterrichtsqualität, kommentiert StZ-Redakteurin Renate Allgöwer.

Stuttgart - Das könnte ein rabenschwarzer Freitag für das Bildungsland Baden-Württemberg werden. Wenig ist bisher öffentlich geworden über den neuesten Bundesländervergleich des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) über die Leistungen der Neuntklässler im Land, aber das Wenige reicht aus, um das Selbstverständnis Baden-Württembergs ins Wanken zu bringen. Es droht ein beispielloser Absturz von den Spitzenplätzen bei den Schülerleistungen, die man für angestammt hielt, bis hinunter auf die Ränge, wo bisher Bremen und Berlin landeten – belächelt vom Südwesten.

 

„Wir können alles außer Hochdeutsch“, der selbstgefällige Slogan der Baden-Württemberger bekommt einen ganz bitteren Beigeschmack, wenn die Neuntklässler im deutschlandweiten Vergleich weit unterdurchschnittlich rechtschreiben, zuhören und Gehörtes wiedergeben können.

Schnelle Antworten gibt es nicht

Die politischen Lager sind rasch bei der Hand mit ihren gegenseitigen Schuldzuweisungen. Doch schnelle Antworten gibt es nicht. Getestet wurden die Neuntklässler des Jahres 2015. Aha: grün-rote Landesregierung, Reformwahn und Neigung zur Gleichmacherei. Aber, zuallererst: Gemeinschaftsschulen waren nicht unter den 180 Testschulen aus dem Südwesten. Die hatten im Jahr 2015 noch gar keine neunten Klassen. Die zu erwartenden miesen Ergebnisse liefern Hauptschüler, Realschüler, Gymnasiasten.

Auch die Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung durch Grün-rot ist nicht schuld. Die Verbindlichkeit fiel im Jahr 2012. Da waren die aktuellen Testpersonen schon in der sechsten Klasse. Überbordende Heterogenität in den Klassen, weil Eltern die falsche Schule wählten, kann also auch nicht die Ursache sein.

Grundlagen in der Grundschule

Die Grundlagen für Rechtschreibung und Textverständnis heißt es, werden in der Grundschule gelegt. Wer 2015 in der neunten Klasse war, wurde 2006 eingeschult. Da war das Kultusministerium noch fest in CDU-Hand. Allerdings hatte der Pisaschock von 2001 ein Umdenken bewirkt. Kompetenzen rückten in den Vordergrund. 2004 hat die damalige Kultusministerin Annette Schavan einen Bildungsplan eingeführt, zu dem es hieß, statt reinem Faktenwissen seien nun übergreifende Kompetenzen gefragt – auch um in internationalen Vergleichen besser da zu stehen. Aha, keine Rede mehr von Leistung und Wissen in der Schule. Also ist der alte Bildungsplan die Ursache für den Leistungsabfall der Schüler. Vielleicht leistet er einen Beitrag dazu. Doch es gibt berechtigte Zweifel daran, ob alle Lehrer sich strikt an den Plan gehalten haben. Er sei so kompliziert, hieß es, dass viele Pädagogen ihn gar nicht oder falsch befolgt hätten. Als alleinige Erklärung für das Desaster taugt auch der Bildungsplan nicht. Einseitige Schuldzuweisungen verbieten sich also.

In allen Ländervergleichen halten sich indes Bayern und Sachsen stetig an der Spitze. Die Schulsysteme können keine Erklärung sein. Bayern steht traditionell für die Dreigliedrigkeit, Sachsen kennt nur das Gymnasium und die Mittelschule.

Anhaltende Verunsicherung

Anders als in Sachsen und Bayern zieht sich aber durch das baden-württembergische Bildungssystem seit Jahren eine anhaltende Verunsicherung. Kompetenzdebatten reihen sich an Schulstrukturdiskussionen, Einsparforderungen an Händeleien über Lehrerstellen. Darüber ist die Qualität des Unterrichts möglicherweise in den Hintergrund getreten. Die neue Kultusministerin ist mit ihrem Plan, eine Qualitätsdebatte zu führen, sicher auf dem richtigen Weg. Das Vorhaben bekommt neue Dringlichkeit. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, dass Lehrer die zentralen Faktoren für den Bildungserfolg sind. Was einen guten Lehrer ausmacht, muss ein wesentlicher Punkt in der Diskussion über die Qualität werden. Schnelle Lösungen sind aber weder zu erwarten noch zu empfehlen.