Konzernchef Olaf Koch bringt einen großen Teil der Belegschaft bei der Metro-Tochter Real gegen sich auf: mit der Tarifflucht der Supermarktkette und nun auch noch mit den Verkaufsplänen. Die Gewerkschaft Verdi macht verstärkt dagegen mobil.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Streiktag bei Real? In der Filiale Filderstadt ist an diesem Montagmittag davon nichts zu sehen. „Hier nicht – es gibt ja so viele Filialen“, sagt die erste Beschäftigte. „Davon weiß ich nichts – ich hab’s gerade erst von einer Kundin erfahren“, zeigt sich die zweite irritiert. „Irgendwo in Duisburg“, wehrt die dritte ab.

 

Bundesweit sind der Gewerkschaft Verdi zufolge Mitarbeiter in fast jedem zweiten der rund 280 Märkte dem Aufruf zur Arbeitsniederlegung gefolgt. An einer Kundgebung vor der Zentrale des Metro-Konzerns in Düsseldorf nahmen 3000 Beschäftigte teil. Prominentester Redner war der Bundesarbeitsminister: „Ich will ein Zeichen setzen gegen Tarifflucht“, betonte Hubertus Heil (SPD). Auch aus Südwürttemberg und Baden waren Streikende in zwei Bussen nach NRW gefahren. Zudem versammelten sich etwa 80 Mitarbeiter aus dem Raum Stuttgart in Böblingen. Allerdings lief der Filialbetrieb überall weiter. Das Unternehmen hatte sich auf den Streiktag vorbereitet.

Wettbewerbsnachteile wegen des Flächentarifs?

Die Situation bei Real wird immer komplizierter: Erst hatte Metro-Chef Olaf Koch die Supermarktkette aus dem Flächentarifvertrag mit Verdi gelöst, dann verkündete er, Real veräußern zu wollen. „Dies hat eine gewisse Verunsicherung insbesondere bei Betriebsräten ausgelöst“, schildert der Verdi-Fachbereichsleiter Bernhard Franke unserer Zeitung. Letztlich ändere die Verkaufsabsicht nichts an der Verdi-Strategie: „Wir halten daran fest, dass wir die Tarifflucht nicht akzeptieren und streiken weiter für die Anerkennung des Flächentarifvertrags.“ Das Unternehmen hält dagegen: Im Vorfeld des Streiktages habe es laut Franke noch mal Druck auf streikverdächtige Belegschaften ausgeübt. Das Management zeige sich „wild entschlossen“, die aus seiner Sicht nicht wettbewerbsfähigen Einzelhandelstarife zu umgehen. Franke nennt die Argumentation der Arbeitgeber „verlogen“, denn es stimme nicht, dass Real wegen des Flächentarifs Wettbewerbsnachteile habe. „Gerade in dem Segment haben wir überwiegend Tarifbindung“, sagt der Gewerkschafter mit Blick auf Aldi, Lidl, Netto, Kaufland und andere. So könne sich das Management allenfalls auf private Edeka- und Rewe-Händler berufen – doch die seien keine wesentlichen Mitbewerber.

„Dreister Betrug an den Beschäftigten“

Erstaunt zeigt sich der Gewerkschafter zudem, „wie dreist die Unternehmensleitung ihren Betrug an den Beschäftigten verkauft“ – ein Seitenhieb auf die Vorgeschichte der Verkaufspläne: Zunächst hatte die Metro vorgegeben, Real sanieren zu wollen, in der Folge mit Verdi einen Zukunftstarifvertrag inklusive Einschnitten abgeschlossen, um den dann zu kündigen und in den Arbeitgeberverband AHD zu wechseln. Während für die Altbeschäftigten wegen der „Nachwirkung“ weiter die Verdi-Tarife gelten, wird für Mitarbeiter mit neuen Arbeitsverträgen ein günstigerer Tarifvertrag der Konzerntochter Metro Services GmbH mit der Berufsgewerkschaft DHV angewandt. In einem Rundschreiben von voriger Woche wird versichert, seit Juni 3600 Neueinstellungen zu den neuen Konditionen vorgenommen zu haben – nachdem 4500 befristete Arbeitsverträge nicht verlängert wurden.

Der DHV wiederum hat schon im April 2018 die Tarifverträge mit der Metro Services GmbH mit sofortiger Wirkung wieder gekündigt und klagt nun vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf gegen Real mit dem Ziel, dass diese nicht für die Real-Mitarbeiter angewendet werden. Denn darin sieht der DHV einen „Missbrauch“. Bis zu einer Entscheidung dürfte aber noch einige Zeit Rechtsunsicherheit vorherrschen.

In Fachkreisen wird Amazon als Käufer gehandelt

Noch mehr Verunsicherung herrscht im Hinblick auf den möglichen Käufer von Real. Es dürfe nicht nur darum gehen, Geld in die Konzernkasse zu spülen, mahnt die Verdi-Bundesleitung. Wichtig sei, Real als Ganzes zu verkaufen. Erwartet wird, dass die Auswahl auf einen „umsichtigen Investor“ statt auf eine „Heuschrecke“ fällt.

Immer lauter wird in Fachkreisen über Amazon als möglichen Käufer nachgedacht. Der Internetgigant hat in den USA schon eine große Lebensmittelkette, Whole Foods, für 13,7 Milliarden US-Dollar erworben. Mit Real hätte er auf einen Schlag auch eine große Flächenpräsenz in Deutschland und könnte ein stationäres Standbein neben dem Onlinehandel aufbauen. Dabei würde wohl ein Teil der Standorte aussortiert werden. „Für die Beschäftigten wäre das keine gute Nachricht“, kommentiert Verdi-Mann Franke diese Spekulation. „Amazon bräuchte das Filialnetz nicht, so wie es jetzt ist, und würde einen Teil der Fläche als Auslieferungslager nutzen.“ Zudem liefe der Verkauf bei Amazon volldigitalisiert ab – Kassierer und andere Tätigkeiten dürften dann entfallen.