Am 8. Dezember ist bundesweiter Warntag. Dann wird der Katastrophenfall simuliert. In Baden-Württemberg und der Landeshauptstadt steht aber vieles noch am Anfang.
Er ist fast schon legendär, der erste bundesweite Warntag seit der Wiedervereinigung. Denn vor zwei Jahren ging so ziemlich alles schief. Was als Probe für den Katastrophenfall dienen sollte, geriet selbst zum Fiasko. Ein guter Teil der Bevölkerung, die eigentlich möglichst komplett gewarnt werden sollte, bekam vom großen Alarm gar nichts mit. Sirenen fehlten, blieben stumm oder heulten verspätet. Warn-Apps meldeten nichts oder viel zu spät wegen überlasteter Server. In Stuttgart waren lediglich drei mobile Sirenen in der Innenstadt zum Einsatz gekommen, die kaum jemand bemerkte.
Diesmal soll alles besser werden. Am Donnerstag, 8. Dezember, folgt die Neuauflage. Bundesinnenministerium und Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) haben die Warnlandschaft in Teilen neu aufgestellt. Um 11 Uhr sollen die beteiligten Behörden und Einsatzkräfte unterschiedliche Warnmittel aktivieren. Dazu gehört neben Radio, Fernsehen, digitalen Stadtanzeigetafeln oder Warn-Apps wie Nina erstmals Cell Broadcast. Über das neue System soll die Probewarnmeldung auf vielen Handybildschirmen in Deutschland direkt aufleuchten.
Es steht aber jetzt schon fest, dass auch diesmal bei weitem nicht jeder den Probealarm mitbekommen wird. Das liegt nicht nur daran, dass Expertenschätzungen zufolge auch Cell Broadcast nur ungefähr jedes zweite Handy erreichen wird. Das System funktioniert bisher nämlich nicht auf älteren Handymodellen und auf neuen auch nur, wenn sie eingeschaltet und in einer Mobilfunkzelle eingebucht sind. Nein, auch die Warnung auf die traditionelle Art stockt weiterhin. Denn beim Thema Sirenen geht es vielerorts nur langsam voran.
So auch in der Landeshauptstadt. „In Stuttgart werden keine Sirenen heulen und auch die mobilen Fahrzeuge werden diesmal nicht im Einsatz sein“, sagt Stadtsprecher Martin Thronberens. Aktuell werde der Aufbau einer stadtweiten Sirenenwarnung „in den kommenden Jahren“ geplant. Die Überlegungen laufen bereits seit dem vergangenen Jahr, inzwischen gibt es Planungsmittel in Höhe von 210 000 Euro. „Eine Stelle für die Sirenenplanung befindet sich bei der Branddirektion aktuell in Ausschreibung“, sagt der Sprecher. Laut Mitteilung der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) ist auch in deren Fahrzeugen keine Information geplant.
Landesweiter Aufbau
Allein ist Stuttgart mit diesem Stand nicht. Landesweit sieht es ganz ähnlich aus. Die Teilnahme der Kommunen und Landkreise am Warntag mit eigenen Warnmitteln ist ohnehin freiwillig – und allzu viel wird da wohl nicht passieren. „Aufgrund der Zuständigkeit der Kommunen für die Nutzung von Sirenen liegen dem Innenministerium Baden-Württemberg keine landesweiten Zahlen darüber vor, wie viele Kommunen aktuell über Sirenen zur Warnung der Bevölkerung verfügen“, sagt eine Sprecherin.
Der Bund habe dem Land 11,6 Millionen Euro für die Sirenenförderung zur Verfügung gestellt. Damit habe man den Kommunen Geld für die Neuerrichtung von rund 970 elektronischen Sirenenanlagen sowie für die Beschaffung von 230 Sirenensteuerungsempfängern „für die Ertüchtigung von vorhandenen Sirenenanlagen“ bewilligt. Allerdings: Aktuell dauerten die Arbeiten an den Warnanlagen noch an. „Das heißt, dass sie am bundesweiten Warntag am 8. Dezember noch nicht zur Auslösung zur Verfügung stehen“, sagt die Ministeriumssprecherin.
Krieg und Naturkatastrophen als Gefahr
Dass man auf dieses eigentlich überholte Warnmittel wieder setzt, hängt auch mit den Erfahrungen aus diversen Naturkatastrophen in den vergangenen Jahren, etwa dem Hochwasser im Ahrtal, zusammen. Auch ein möglicher Krieg spielt plötzlich wieder eine Rolle – und man will die Bevölkerung auf möglichst vielen Wegen informieren können. Doch das einst flächendeckende Sirenensystem des Bundes ist in den vergangenen Jahrzehnten weit gehend abgebaut worden. „Nach unserer Einschätzung haben sich viele Kommunen im Land zuletzt wieder verstärkt mit dem Thema Warnung der Bevölkerung und Sirenen auseinandergesetzt“, heißt es im Innenministerium.