Die neuen Willkommensräume im Burgenlandzentrum in Stuttgart-Feuerbach sollen ein Treffpunkt für alle Einwohner des Stadtbezirks sein.

Feuerbach - Hayatullah sei ein „begnadeter Handwerker“, sagt Thomas Schwarzwälder. Der Malermeister und Berufsschullehrer an der Schule für Farbe und Gestaltung in Feuerbach muss es wissen. Denn er unterrichtet den 21-Jährigen aus Afghanistan. Und bei praktischen Einsätzen wie diesen habe der Flüchtling schon wiederholt großes handwerkliches Geschick in verschiedenen Gewerken bewiesen. Momentan verpasst Hayatullah gerade einer Wand im Untergeschoss des Burgenlandzentrums mit der Rolle einen neuen Anstrich. Eine vergleichsweise leichte Übung für ihn.

 

Außer Schwarzwälder und Hayatullah sind an diesem Mittwochnachmittag auch noch der 17-jährige Sarmad aus dem Irak und der 17-jährige Rudi aus Syrien bei der Malerei-Aktion dabei. Eigentlich hätten die jungen Flüchtlinge aus der VABO-Klasse (Vorqualifizierungsjahr Arbeit und Beruf für Jugendliche ohne Deutschkenntnisse) in der Schule für Farbe und Gestaltung jetzt unterrichtsfrei, stattdessen arbeiten sie hier ehrenamtlich mit, um die Räume im Burgenlandzentrum auf Vordermann zu bringen. Auf einem Blatt Papier haben sie ihre „To-Do-Liste“ für den heutigen Tag aufgeschrieben: „Decke abkratzen, Löcher ausspachteln, Boden abdecken, Wände und Decken streichen, Klebebänder entfernen“, steht da fein säuberlich mit einem schwarzen Filzstift auf einem weißen Stück Papier geschrieben. So lernen die Schüler quasi nebenbei auch Deutsch. Der vierte Helfer im Bunde – ein Schüler aus Eritrea – sei leider nicht mehr dabei, berichtet Schwarzwälder am Rande. Er sei inzwischen abgeschoben worden: „Er musste zurück in die Schweiz, von wo aus er hierher kam.“ Ein wenig ernst schauen die Jugendlichen manchmal, doch die Arbeit hier mache ihnen Spaß, sagen sie: „Flüchtlinge helfen anderen Flüchtlingen“, umreißt Malermeister Schwarzwälder die heutige Aktion.

Willkommenscafé im Versammlungsaal

Ein Stock höher in dem Versammlungssaal mit der Küchenzeile ist alles schon fertig und bereit. Die Tische sind sogar schon gedeckt. Draußen vor der Tür steht ein Aufsteller mit der Aufschrift „Willkommenscafé“, Sankt-Pöltener-Straße 29.

Bereits am 1. Mai gab es eine kleine Einweihungsfeier in den Willkommensräumen. Bezirksvorsteherin Andrea Klöber sagte zu diesem Anlass: „Ich freue mich sehr, dass es uns gelungen ist, die freien Räume im Burgenlandzentrum für die Gemeinwesenarbeit im Stadtbezirk zu erhalten und allen Feuerbacherinnen und Feuerbachern als Ort der Begegnung anbieten zu können.“ Nun gilt es, das Projekt mit Leben zu füllen. Schließlich soll ein Treffpunkt für alle entstehen. Für „Alt- und Neu-Feuerbacher, Frauen, Männer, Jugendliche und Kinder, Familien und Alleinlebende“, zählt Klöber auf und fügt an: „Mögen sie sich hier treffen, sich kennenlernen, miteinander reden, lernen, spielen, lesen, essen und miteinander feiern.“

Eigentlich hatten die Feuerbacher im Herbst des vergangenen Jahres noch gehofft, dass hier im Burgenlandzentrum ein neues Stadtteil- und Familienzentrum eingerichtet wird. Die Verwaltung hatte schon die fertige Konzeption in der Schublade, doch dann kam bei den Haushaltsberatungen kurz vor Weihnachten keine politische Mehrheit für das Projekt zustande.

Neues Nutzungskonzept

Die anfängliche Enttäuschung war spürbar, doch den Kopf in den Sand zu stecken, war keine Option. Also hieß es, Ärmel aufkrempeln und nach einer Ersatzlösung suchen. Ein Plan B musste her. „Ein neues Nutzungskonzept wurde mit heißer Nadel gestrickt“, sagt Klöber. Sie selbst klemmte sich dahinter und warb für das neue Vorhaben. Zudem förderte auch die Stadtverwaltung die geplante integrative Initiative im Burgenlandzentrum. Aus dem Topf „Pakt für Integration“ wurde ein jährlicher Zuschuss in Höhe von 30 000 Euro für die Willkommensräume bewilligt – befristet auf zwei Jahre. Außerdem werden zwei 450-Euro-Stellen geschaffen, die sich auch um die Zusammenführung der vielen ehrenamtlichen Aktivitäten in den Räumen kümmern sollen.

Die Trägerschaft für das Projekt übernimmt die Evangelische Kirche Feuerbach. „Einer unserer Hauptkooperationspartner ist der Freundeskreis Flüchtlinge Feuerbach“, erklärt Jesko Petersen, Mitglied im Kirchengemeinderat der Evangelischen Gesamtkirchengemeinde. Aber auch die Stadtteilbibliothek, die Musikschule, das Bhz, das Richard-Bürger-Heim und die Lutherkirche sitzen als Kooperationspartner mit im Boot. Die Willkommensräume sollen künftig vielfältig genutzt werden. Dreimal die Woche öffnet das Willkommens-Café seine Pforten, dazu sind alle eingeladen. Hier können Kontakte geknüpft werden, es gibt Raum für Begegnungen. Dienstagabend wollen Christa Cheval-Saur und Verena Funk von der Arbeitsgruppe Ämter im Freundeskreis Flüchtlinge Feuerbach eine dreistündige Beratung für Flüchtlinge anbieten. Aber auch einen Frauenlesekreis, ein Seniorengymnastik-Angebot und ein Familien-Treff sind geplant. „Wir wollen für alle offen sein“, sagt Petersen. Eine große Aufgabe dürfte auch die Verknüpfung der alten und neuen Gruppen innerhalb des Projektes sein. Es wird auch darum gehen, die unterschiedlichen Angebote, die teils lange vorhanden sind und die teils neu im Aufbau sind, zusammenzuführen.

Der Blick der Macher richtet sich natürlich auch auf Ende 2019. Denn dann soll es endlich mit der Finanzierung eines Stadtteil- und Familienzentrums für den Doppelhaushalt 2020/2021 klappen.