Die Burgfestspiele Jagsthausen stehen im 70. Jahr ihres Bestehens vor einer ungewissen Zukunft. Das Problem: der Ort ist quasi nur mit dem Auto erreichbar, es fehlt an Subventionen – und nicht zuletzt hat sich auch der Publikumsgeschmack geändert.

Jagsthausen - Jagsthausen mit seinen knapp 1900 Einwohnern ist – was wenige Orte in Deutschland von sich sagen können – ein „Schauplatz“ der Weltliteratur: Goethes Sturm und Drang-Stück „Götz von Berlichingen“ sei Dank. Seit 70 Jahren finden im Burghof der Götzenburg, Stammsitz der Familie von Berlichingen, die Burgfestspiele Jagsthausen statt und selbstredend steht hier in jedem Jahr der „Götz“ auf dem Programm. Alles andere ist in Jagsthausen nicht selbstverständlich, sondern Ergebnis ständigen Bemühens.

 

Bürgermeister Roland Halter, 2018 mit 90 Prozent der Stimmen zum vierten Mal wiedergewählt, sagt: „Jede Spielzeit ist ein Tanz auf Messers Schneide“. Gemeint ist damit die finanzielle Situation, sie ist aber nicht das einzige Problem. Die Lage im eher abgeschiedenen nordöstlichen Zipfel des Landkreises Heilbronn gehört zu den Schattenseiten der Idylle. Der ganze Ort und inzwischen auch Generationen von Einwohnern Jagsthausens leben für die Festspiele, aber nur begrenzt davon.

Das Programm der Burgfestspiele ist eher anspruchsvoll

„Wir sind ein Theater, das im Sommer spielt, aber kein Sommertheater“ und das Programm sei nichts für „Schenkelklopfer“, sagt Halter. Damit unterstreicht er den künstlerischen Anspruch und grenzt sich von denen ab, die den Burgfestspielen seit Jahren Konkurrenz machen. Im Hohenloher Land und im Landkreis Heilbronn haben sich Laienfestspiele ein großes Stück vom Kuchen abgeschnitten und zuletzt kam mit den hochpreisigen Würth-Festspielen in Gaisbach ein weiterer Konkurrent dazu.

Auch die Besucher kommen mittlerweile eher spontan und wetterabhängig, die Ansprüche sind ebenfalls geringer geworden. Mit den Spielplänen vergangener Jahrzehnte haben die von heute nur noch den „Götz“ gemeinsam, das Festhalten an einem zweiten „Klassiker“ (in diesem Jahr ist es „Cyrano de Bergerac“) ist mutig, denn inzwischen sind Musicals zum eigentlichen Kostenträger geworden. Aber auch das kann schief gehen. Halter sagt, eine der besten Inszenierungen sei 2014 „Der Ghetto-Swinger“ mit Helen Schneider gewesen – ein teurer Flop.

Der nach dieser Saison scheidende Intendant Axel Schneider brachte bekannte Schauspieler in den Burghof, jedoch wird es immer schwerer, Rollen gut und prominent zu besetzten. Festspielzeit ist auch Hauptdrehzeit für Fernsehspiele, mit diesen Gagen kann Jagsthausen nicht mithalten. Wer allerdings hier war, ist begeistert von der Atmosphäre – die Jagsthausener lieben ihre Künstler. Die Chronik der Götz-Darsteller liest sich wie ein Who-is-Who der Schauspielkunst: Thomas Thieme, Dietz-Werner Steck oder Hans-Peter Hallwachs, in den letzten Jahren James Bond-Gegenspieler Götz Otto oder Walter Plathe.

Und immer wartete das Publikum gespannt darauf, wie diesmal das berühmte Götz-Zitat gebracht wird. Halter ist sich sicher: „Ohne treues Publikum wären wir schon am Ende.“ Das hatte schon der frühere Bundespräsident Roman Herzog befürchtet, früher Schirmherr der Festspiele, der mit seiner Frau Alexandra von Berlichingen bis zu seinem Tod auf der Götzenburg lebte. Alexandra von Berlichingen vertritt nach wie vor die inzwischen als Gmbh eingetragenen Festspiele, die Dietz von Berlichingen als „Familienunternehmen“ gegründet hatte.

Eine Ausfallbürgschaft wie in Ettlingen gibt es hier nicht

Die Gemeinde stützt vor allem mit Sach- und Dienstleistungen, Scharen von Laienspielern und Helfern hinter der Bühne. Jagsthausen hat laut Bürgermeister Halter nicht, wie etwa Schwäbisch Hall, eine große Kommune hinter sich, die mit einer halben Million Euro dabei ist oder die, wie in Ettlingen mit hohen Subventionen und Ausfallbürgschaften Sicherheit gibt. Dass Jagsthausen nur mit dem Auto erreichbar ist, ist eines der größten Handicaps. Und es fehlt auch die Großstadt in unmittelbarer Nähe. Wenige Kommunen spüren es so hautnah wie Jagsthausen, was es heißt im ländlichen Raum abgehängt zu sein, sagt Halter. Doch als 2011 der letzte Bäcker und der letzte Metzger dicht machten und auch sonst keiner kommen wollte, setzte man auf Dorfladen statt Discounter.

Rund 350 Bürger brachten ein Startkapital von 170 000 Euro auf, der Laden wird heute von sieben Vollzeitkräften und ebenfalls Ehrenamtlichen geführt, mittlerweile zählt die Genossenschaft „Unser Dorfladen Jagsthausen eG“ mehr als 1000 Mitglieder, erwirtschaftet einen Umsatz von knapp 1,5 Millionen Euro und sogar eine Rendite. Minister Peter Hauk nennt den Dorfladen ein „Vorzeigeprojekt“. Vor siebzig Jahren waren das auch die Burgfestspiele.

In der neuen Saison kommen „Laible und Frisch“


Das 70-jährige Bestehen der Burgfestspiele soll erst im 75. Jahr groß gefeiert werden. Es gibt aber eine Uraufführung: Die Mundartserie „Laible und Frisch“ wird mit einem eigens für Jagsthausen geschriebenen Stück in der Stammbesetzung zu erleben sein. Die Festspiele 2019 beginnen am 5. Juni und dauern bis 25. August.

Der Etat der Festspiele liegt seit Jahren fast unverändert bei zwei Millionen Euro, zehn Prozent sind Sponsoring, vom Land kommt knapp ein Viertel. 854 Plätze bietet der Burghof, die Eigenfinanzierungsquote liegt bei rund 80 Prozent. Die Schwarze Null steht, wenn gut 40 000 Besucher kommen. Spitzenspielzeit war 2003 mit gut 80 000 Gästen.