Das Friedrichsbauvarieté auf dem Pragsattel zeigt „Burlesque Affairs“: Erotik und Akrobatik, zum Niederknien schön.

Stuttgart -

 

Schwabenmetropole, Benztown, Feinstaubhauptstadt: Stuttgart-Synonyme gibt es viele. Womöglich gilt die Landeshauptstadt auch bald als „Burlesque-Pilgerstätte“, denn es gibt kaum einen anderen Ort in der Republik, an dem das Genre so viel Aufmerksamkeit erhält. Seit Freitag zieht es die Fans wieder zum Pragsattel: Nachdem derlei Darbietungen hier bereits vor einem Jahrzehnt, zuvorderst aber vor zwei Jahren die „Affairs“-Shows besonders gut ankamen und ein Burlesque-Festival nach sich zogen, hat nun Ralph Suns neue Inszenierung „Burlesque Affairs“ mit vielen Mitgliedern des Vorgänger-Ensembles Premiere gefeiert.

Ein großes Glück ist, dass Ferkel Johnson in Stuttgart abermals als Maître de Plaisir mit von der Partie ist. Der Mann besitzt ein Gespür für Timing und amüsiert mit vielen kleinen Zwischeneinlagen. Während sich die Kolleginnen und Kollegen reihenweise entblättern, kommt er auch mal nackt auf die Bühne und zieht sich folglich nicht aus, sondern an. Vom Publikum fordert er, der Begeisterung freien Lauf zu lassen, zu klatschen, zu kreischen, notfalls guttural zu grunzen: „Es ist ja kein Theater hier! Ich bin damals nämlich nicht auf der Schauspielschule genommen worden.“

Mit Kopf und Fuß, Pfeil und Bogen

Einigen Künstlern gelingt es, die geforderten Begeisterungsbekundungen zu evozieren. Zum Beispiel dem Duo Marie Bitaróczky und Mirko Köckenberger: Nicht nur, weil ihre Darbietung bar jeglicher Worte von Verlangen, Abweisung und Zusammenfinden erzählt. Auch, weil ihre Partnerakrobatik schier unglaubliche Formen annimmt, wenn etwa Köckenberger in den Handstand geht und Bitaróczky kopfüber an seinem Oberkörper hängt. Klassische Burlesque-Darbietungen bieten die Künstlerinnen Louise L’Amour, Janet Fischietto und Vivi Valentine, die lasziv von Showtreppe schlendern. Oder auch die Australierin Miss Skopalova, die sich unter, über und im Luftring räkelt. In der ersten, dramaturgisch hervorragend abgestimmten Hälfte wechseln sich solch sinnliche Nummern mit akrobatischen ab.

Der zweite Durchgang indes braucht ein Weilchen, um in die Gänge zu kommen, wartet dafür aber mit den beeindruckendsten Spektakeln der im Ganzen kurzweiligen Show auf. Wieder einmal zeigt beispielsweise das kanadisch-schweizerische Comedy-Artistik-Duo „Les Dudes“, warum es nicht nur zu den lustigsten, sondern auch artistisch anspruchsvollsten überhaupt gehört: Da gibt sich Francis Gadbois als überdrehter Zirkusaffe, kurvt armschlenkernd auf dem Kunstrad umher und wird am Ende von seinem Kollegen Philippe Dreyfuss an die Leine genommen.

Doch es geht noch irrer: Die Kontorsionistin Sheyen Caroli liegt bäuchlings auf einem Podest, biegt die Beine über den Kopf, spannt mit den Füßen einen Bogen und versenkt den zugehörigen Pfeil im Ziel auf der anderen Bühnenseite. Gute Güte. Allein schon, weil dies Carolis erster Auftritt in Deutschland ist, kann man sich beim Stuttgarter Friedrichsbauvarieté für „Burlesque Affairs“ bedanken.