Ein Busfahrer hat in Stuttgart-Vaihingen gewartet und einem älteren Herrn dabei geholfen, mitfahren zu können. Im Internet ist das Bild, welches ein Pilot von der Szene gemacht hat, ein Hit.

Vaihingen - Man kennt das ja: Morgens so flink wie möglich von der U-Bahn A über die Gleise in die U-Bahn B hoppeln, keuchend noch vor dem Job. Und wenn der Fahrer aus unerfindlichen Gründen allem Beineinsatz zum Trotz nicht warten kann, liefert er den brüskiert zurückgelassenen Spätstartern am Bahnsteig doch zumindest gruppendynamisch wertvollen Gesprächsstoff ganz ohne von oben verordnete Teambuilding-Maßnahmen.

 

An der Bushaltestelle Kurmärker Kaserne in Stuttgart-Vaihingen hat sich dieser Tage das Gegenteil des morgendlichen Gehetzes zugetragen: Ein Busfahrer bediente trotz der Rushhour entschlossen die Parkbremse, überquerte die Straße und begleitete einen älteren Herrn mit Gehstock, der ansonsten den Bus womöglich verpasst hätte, freundlich in sein Gefährt.

Bemerkt, fotografiert und auf dem sozialen Netzwerk Linkedin gepostet hat die ungewöhnliche Szene Marvin Hägele, der wie der Busfahrer ebenfalls in der Beförderungsbranche tätig ist, nämlich als Pilot und außerdem als Motorradvermieter. „Zum einen ist die Zeit, die man sich für jemanden nimmt, die wahre Einheit für das Maß der Wertschätzung für jemanden“, notierte Hägele, der an jenem Abend auf dem Weg in den Feierabend von einer Brücke aus mit dem Handy fotografierte, unter dem von ihm geposteten Bild. Und weiter: „Und zum anderen ist es mal wieder der Beweis dafür, welchen unschätzbaren Wert engagiertes #frontlinestaff für die Wahrnehmung eines Unternehmens hat. Personal ist eben nicht nur eine Kostenstelle.“

Die Fahrer haben Entscheidungsfreiheit

An jenem Abend, sagt Marvin Hägele, habe er auf der Brücke durchaus das Gefühl gehabt, die Eingemeindung des älteren Herrn mit Gehstock in die Gruppe der Bus-Passagiere sei ein Gemeinschaftswerk des Busfahrers mit tätiger Billigung der Fahrgäste gewesen. Doch es liegt in der Natur der sozialen Medien, dass auch in diesem Fall manche den Sachverhalt grundsätzlich anders sehen, zumal bei mittlerweile mehr als 1,1 Millionen Blicken auf den Beitrag: Ein Mann kommentierte, für ihn stehe „Pünktlichkeit an erster Stelle“.

Die Stuttgarter Straßenbahn AG (SSB) hat jedoch laut ihrer Sprecherin Birte Schaper weder Lob noch Tadel für die spontane Fahrtunterbrechung des Busfahrers erhalten. Zum konkreten Sachverhalt konnte die SSB nicht Stellung nehmen. Die Sprecherin betonte jedoch: „Man kann daran sehen, dass wir den Kollegen die nötige Entscheidungsfreiheit geben und sie darin bestärken.“ Dieser Verantwortung seien sich die Fahrer der SSB jederzeit bewusst. Bei der Entscheidung schon abzufahren oder noch zu warten würden mitunter Kriterien eine Rolle spielen, die der Fahrgast nicht sehen könne: „Trotzdem fällt es manchen leicht, sich hinterher ein Urteil zu bilden.“

Wem einmal die Gespräche der Zurückgelassenen auf dem Bahnsteig zu Ohren gekommen sind, wird ihr wahrscheinlich Recht geben.