Sexismus, Chauvinismus, Homophobie, Gewaltfantasien – Bushido pflegt die Gangster-Rap-Zutaten bei seinem Konzert in Stuttgart. Seine Fans lieben diese Attitüde - und unser Autor fühlt sich an eine Bildungsplan-Demo erinnert.

Stuttgart - Höflich ist er, der Mittdreißiger mit Vollbart und Sidecut. „Dankeschön, meine Damen und Herren“, adressiert er das Publikum im LKA Longhorn förmlich. „Ich wünsche euch allen einen wunderschönen Abend“. Wie schon am Vortag ist das Konzert restlos ausverkauft. Bushido, jener Berliner Gangsta-Rapper, dessen Kontroversen und Skandale seit über einer Dekade den Boulevard und nach und nach auch das Feuilleton beschäftigen, liebt das Spiel mit Klischees und seinem negativen Image. Die Vorwürfe sind zahlreich und variieren von Sexismus, Chauvinismus über Homophobie und Nationalismus bis hin zum Antisemitismus und vermeintlichen Verbindungen zu mafiösen Clans.

 

Die meist jungen Fans schätzen genau das an ihm, bewundern die provokante Attitüde des Rappers, der eigentlich Anis Mohamed Youssef Ferchichi heißt. Sein Erscheinen auf der Bühne wird von hunderten ehrfürchtig emporgestreckten Smartphones, lautem Kreischen und dem Skandieren seines Namens gesäumt.

Besonderer Publikumsliebling ist der junge Rapper Shindy. Der 27-jährige Halb-Grieche stammt aus dem nahegelegenen Bietigheim-Bissingen und wird als Lokalgröße gefeiert. Auf der Bühne ist er Bushidos Back-Up und Rap-Partner.

Gewalt und Homophobie als Gangster-Zutaten

Zu Beats des DJs und Bushido-Managers Gan-G wirbeln Bushido und Shindy in schwarzen Hoodies über die Bühne. „John Wayne“ ist die Eröffnung. Ein gemeinsamer Track mit Shindy, der alle Klischees locker bedient. Klar, Gewaltfantasien und Homophobie gehören zu den klassischen Gangster-Rap-Zutaten. Mit gewissen Wortwitz daherkommend, ist der Song trotz aller Humorversuche zu plump, um lustig zu sein. Den Fans macht das wenig aus. Es wird mitgerappt und gefeiert. Tatsächlich funktioniert der über 100-minütige Auftritt als Konzert. „Wo sind die Hände?“ Bushido dirigiert, die Masse folgt. „Wenn der Beat nicht mehr läuft“ folgt und die Stimmung steigt. Der klassische Diss-Track spielt geschickt mit den Vorwürfen der letzten Jahre, wartet mit Tiraden auf: „Junge, ich bin Gangster und ich mag keine Rapper“.

Hits wie das von Pathos nur so strotzende„Alles wird gut“ werden lautstark gefeiert. Die 14-jährige Elif aus Heilbronn, die das Konzertticket von ihren Eltern zum Geburtstag geschenkt bekommen hat, soll „Sonnenbank Flavour“ rappen. Sie wünscht sich Unterstützung ihrer Freundin Juicy, doch sie soll es allein versuchen. Der Text scheint ihr unbekannt, Shindy und Bushido übernehmen. „Was für eine Schulnote würdest Du dir dafür geben“, fragt Bushido, der ihr keine Zeit für eine Antwort lässt: „Das war nicht einmal eine 6. Das ist direktes Sitzenbleiben“.

Bushido ist auch wichtig für den deutschen Rap

In den letzten Jahren hat Bushido mehrere Wandlungen durchlebt: Bernd Eichinger verfilmte sein Leben, für den Film nahm er mit Karel Gott eine neue Interpretation von Alphavilles „Forever Young“ auf, bei der in Stuttgart Pärchen wie hartgesottene Hip-Hop-Fans sich in den Armen liegen. Ein gemeinsames Album mit Peter Maffay und Sido entstand, er erhielt einen Bambi für Integration und lieferte 2010 den inoffiziellen WM-Hit „Fackeln im Wind“, den die Nationalmannschaft beim Turnier in Südafrika in der Umkleidekabine hörte.

Mit Sami Khedira ist Bushido freundschaftlich verbunden. Khedira sage „Bruder“ zu ihm, erklärte er einst dem Spiegel. Viele seiner Texte sind pathetische Hymnen auf ein romantisiertes Ghetto. Es sind Gangsta-Rap-Schlager mit großen Gesten und einer klaren Orientierung am Erfolg und einem starken Aufstiegsstreben. Umstritten war er dabei immer.

Mit Gangsta-Rap in die Charts

Nichtsdestotrrotz ist Bushido für die deutsche Rap-Historie wichtig. Er war in den frühen Nullerjahren der erste Gangsta-Rapper, der Mainstream-Erfolge feierte. Mit Aggro Berlin und später auf seinem eigenen Label „ersguterjunge“ lieferte er den Soundtrack für unverstandene Jugendliche. Das tut er bis heute und das ist sein Geheimnis. Bushido funktioniert als Identifikationsfigur. Das brachte ihm den Bambi aber noch viel mehr Kritik ein.

Kann jemand, für den Frauen prinzipiell „Fotzen“ oder „Bitches“ zu sein scheinen, Vorbild sein? Darüber wurde oft und wild debattiert. In Stuttgart erklärt er im Gespräch mit Shindy, dass er Frauen schätze. Es sei kein Schimpfwort, eine „real Bitch“ als solche zu bezeichnen. Sicher, es gebe Ausnahmen. „Aber 99,3 Prozent aller Frauen sind Bitches“, so die chauvinistische Schätzung. Das Publikum lacht mit Bushido und Shindy.

Gemeinsam bringen die beiden in wenigen Wochen das Album „Cla$$ics“ heraus, einen neuen Song davon spielt man bereits heute, und auch in der Vergangenheit fanden bereits eine Reihe Kollaborationen statt. Die Bekannteste darunter ist „Stress ohne Grund“, eine in sperrige Reime gegossene Provokation, die kurz nach Erscheinen indiziert wurde. Möchte man das jüngere Schaffen Bushidos einordnen, ist es unvermeidlich, über dieses Stück zu sprechen.

Zwar wurde der mit Morddrohungen gegen Politiker („Ich schieß’ auf Claudia Roth und sie kriegt Löcher wie ein Golfplatz“ und „Ich will, dass Serkan Tören jetzt ins Gras beißt“) aufwartende Track mittlerweile von der Liste jugendgefährdender Medien genommen, doch steht er weiterhin stellvertretend für das Bild als homophober Rüpelrapper, als der sich Bushido seit einigen Jahren wieder verstärkt in Szene setzt: „Es ist ganz normal, Männer lutschen keine Schwänze“, ist die dominierende Line des Songs. Eine Zeile, die eine ungeahnte Übereinstimmung des deutsch-tunesischen Rappers und den baden-württembergischen Bildungsplan-Gegnern zum Vorschein bringt.

Distanz zu Texten wenig glaubwürdig

Die homophobe Grundhaltung zieht sich durch das gesamte Schaffen Bushidos und findet auch in seine Ansagen Eingang. „No homo“, betonen er und Shindy stets lobende Worte an den andern. Dass das Publikum diesen Slogan schließlich immer wieder von selbst aufnimmt und Bushido irgendwann betont „unter Brüdern“ müsse man das nicht immer dazu sagen, macht die Problematik des Ganzen offenbar. Wie die Gegner des Bildungsplans stellt Bushido Homosexualität als etwas Anormales dar. Fatal, betrachtet man den jungen Durchschnittszuschauer seiner Konzerte. In der Folge wird „schwul“ so nicht nur zum Schimpfwort, sondern zur entwürdigenden Stigmatisierung.

Bushido selbst distanziert sich immer mal wieder mehr oder weniger glaubhaft von einer zu wörtlichen Auslegung seiner Texte. Und wenn man das Stuttgarter Publikum betrachtet, so fällt doch eine gewisse Diskrepanz zwischen den harten Texten und dem Auftreten der Zuschauer auf: Viele Kinder und Jugendliche sind mit ihren Eltern da. „Liebe Eltern“, spricht Bushido sie direkt an. „Am Ende des Abends werdet ihr feststellen, dass eure Kinder einen verdammt guten Musikgeschmack haben“.

Eine Aussage, die Applaus hervorruft. Es lassen sich stolze Väter in Bomberjacken beobachten, die ihrem Nachwuchs anerkennend auf die Schulter klopfen. Vielleicht hat es im Endeffekt die gleiche Wirkung, mit seinen Kindern zu Bushido zu gehen, wie auf die sogenannte „Demo für Alle“.