In Zigarettenstummeln sammeln sich bis zu 7000 Schadstoffe. Trotzdem werfen viele Raucher die hochgiftigen Kippen achtlos weg und belasten so die Natur. Baden-Württemberg und die anderen Bundesländer gehen jetzt mit teils deutlich höheren Bußgeldern gegen die Umweltsünder vor.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Stuttgart - Seit 1. Dezember 2018 gilt in Baden-Württemberg ein neuer Bußgeldkatalog für Umweltsünden. Das Landesumweltministerium hat darin zum Teil deutlich höhere Tarife als bisher für die 840 Tatbestände festgelegt.

 

Wer Kleinmüll wie Zigarettenstummel, Kaugummis, Kaffeebecher, Fast-Food-Verpackungen oder Lebensmittelreste in Fußgängerzonen, Parks und auf Spielplätzen wegwirft, begeht eine Ordnungswidrigkeit und muss ein Verwarnungsgeld zwischen 50 und 250 Euro zahlen. Bisher lagen die Strafen bei zehn bis 25 Euro.

Kippen in Stuttgart wegwerfen: mindestens 75 Euro Strafe

In Stuttgart kostet das achtlose Wegwerfen von Zigarettenstummeln jetzt 103,50 Euro. Davon sind 75 Euro Bußgeld und 28,50 Euro Verwaltungsgebühr. Anderswo, etwa in Mannheim, werden sogar 100 Euro plus Verwaltungsgebühr fällig.

Nach Angaben der zentralen Bußgeldstelle beim Amt für öffentliche Ordnung haben Stuttgarts Ordnungshüter vom 1. Dezember 2018 bis Mitte Juni 2019 insgesamt 130 Bußgeldverfahren wegen „abfallrechtlicher Verstöße“ (Bußgeldkatalog Umwelt Ordnungswidrigkeit Nr. 1.1.1.) eingeleitet. 2018 waren es laut Stadtverwaltung 155 Verfahren.

„Bisher wurden im Bereich einer Bußgeldhöhe bis 250 Euro insgesamt 42 Bußgelder festgesetzt, gegen die sieben Einsprüche eingelegt wurden“, berichtet eine Pressesprecherin. „Die Gesamtsumme dieser Bußgelder beträgt 5201,90 Euro.“

Erzieherische Maßnahme

Wie Stuttgarts Ordnungsbürgermeister Martin Schairer betont, handelt es sich bei den Strafen auch um eine erzieherische Maßnahme. „Die illegale Entsorgung von Müll ist kein Kavaliersdelikt. Werden Verursacher ermittelt, kommt es zur Anzeige. Unser Ziel ist es, ein Umdenken bei den Verursachern anzustoßen.“

Dies sei Teil der „Kampagne für ein sicheres und sauberes Stuttgart“, die Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) im vergangenen Jahr angekündigt hatte, so der CDU-Politiker weiter. Die Stadt Stuttgart wurde dafür vom Gemeinderat mit einem Zehn-Millionen Euro-Budget ausgestattet.

Kommunale Bußgeldkataloge

Bundesweit geht es Umweltsündern verstärkt an den Kragen. Immer mehr Länder, Städte und Gemeinden gehen schärfer gegen die mutwillige, scheinbar beiläufige Verschmutzung vor. Besonders Großstädte sind von dem Problem betroffen.

Da die Kommunen bei der Festlegung des Bußgeldkatalogs recht autark sind, können die Strafgelder für entsorgte Kippen unterschiedlich hoch ausfallen, wie folgende Übersicht zeigt:

Düsseldorf, Hannover, Dresden: 10 Euro

Dortmund, Nürnberg: 15 bis 35 Euro

Duisburg, Leipzig, Bremen: 20 Euro

Berlin, Essen: 20 bis 35 Euro

Frankfurt am Main: 30 Euro

Köln: 35 Euro

Hamburg und München: 55 Euro

Mannheim: 100 Euro

Drastischere Mittel gegen Wegwerf-Wahn gefordert

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) will die Tabakindustrie künftig an den Kosten für Reinigungsarbeiten von weggeworfenen Zigaretten beteiligen. „Wer Wegwerfartikel wie Zigaretten herstellt, wird künftig mehr Verantwortung für den Müll übernehmen müssen.“

Auch das Europaparlament hat eine Kostenbeteiligung der Tabakbranche als verschärfende Maßnahme zu der Mitte Mai beschlossenen Einweg-Plastik-Richtlinie der Europäischen Union gefordert.

750 000 Tonnen weggeworfene Kippen weltweit

Zigarettenkippen sind der häufigste Müll in der Landschaft. In Deutschland gibt es rund 22 Millionen Raucher. Laut einer Studie des Instituts für Landschaftsökologie und Ressourcenmanagement der Justus-Liebig-Universität Gießen werden jährlich weltweit 5,6 Billionen Zigaretten geraucht und rund 4,5 Billionen davon unsachgemäß entsorgt. Das summiert sich zu einem gigantischen Müllberg von mehr als 750 000 Tonnen.

In der Untersuchung „Tobacco and its Environmental Impact“ der Weltgesundheitsorganisation (WHO) heißt es, dass Zigarettenfilter durchschnittlich 30 bis 40 Prozent des Gesamtmülls ausmachen, der in Städten und an Stränden vom Boden aufgesammelt wird. In manchen Großstädten machen Stummel sogar bis zu 60 Prozent des weggeworfenen Abfalls aus.

Gift-Cocktail in Kippen

Zigarettenstummel bestehen größtenteils aus einem Filter aus Kunststoff. Das Material aus Cellulose-Acetat ist mit zahlreichen Chemikalien angereichert und zersetzt sich erst nach zehn bis 15 Jahren. In den Resten sammeln sich bis zu 7000 verschiedene Giftstoffe, mehr als 50 davon sind krebserregend.

Neben Nikotin sind dies Arsen sowie Schwermetalle wie Blei, Kupfer, Chrom und Kadmium wie Thomas Novotny, Professor der Division of Epidemiology and Biostatistics an der San Diego State University, in einer Studie nachgewiesen hat. Die Filter können zudem bis zu 50 Prozents des im Zigarettenrauch enthaltenen Teers zurückhalten.

Belastet werden vor allem Gewässer und das Grundwasser. Aus einem Stummel können knapp zwei Milligramm Nikotin in Böden und Gewässer gespült werden. Nach Angaben Novotnys verseucht ein Zigarettenstummel ungefähr 40 Liter Grundwasser. Bereits eine Kippe pro Liter Wasser reicht aus, um die Hälfte der darin schwimmenden Fische zu töten.