Premiere im VVS: Das Busunternehmen Schlienz-Tours stattet seine Busse mit einer gläsernen Trennscheibe für den Fahrer aus. Das ermöglicht den Einstieg durch die Vordertür, der wegen Corona verboten worden war – und damit auch den Verkauf von Tickets.

Stuttgart - Seit Mitte März ist bei den Bussen auf den Nahverkehrslinien in der Region die vordere Tür zum Einsteigen gesperrt. Dadurch sollen Fahrer und Fahrgäste vor Infektionen mit dem Coronavirus geschützt werden. Mit dieser Regelung wird es nach und nach ein Ende haben: Am Dienstag haben am Bahnhof in Esslingen der Verkehrsverbund VVS und die Firma Schlienz-Tours aus Kernen im Remstal den ersten Bus mit einer Trennscheibe im Fahrerbereich vorgestellt. Bis in einigen Wochen sollten alle im VVS verkehrenden, rund 1500 Busse mit der Trennscheibe ausgerüstet werden, kündigte VVS-Geschäftsführer Horst Stammler an. In diese Fahrzeuge muss dann wieder durch die Vordertür eingestiegen werden, was Ticketverkauf und -kontrolle durch den Busfahrer ermöglicht.

 

Vertrauen der Fahrgäste

Danilo Djokic, Busfahrer bei Schlienz, hält seinen künftigen Arbeitsplatz für „sehr angenehm“. Eine Glasscheibe mit zwei kleinen Löchern für Fahrkarten- und Geldausgabe trennt ihn von den Fahrgästen. „Das dient dem Gesundheitsschutz, nicht nur heutzutage, sondern auch im Winter bei anderen ansteckenden Krankheiten“, sagt Erhardt Kiesel, der Chef von Schlienz-Tours. Die Distanz habe noch einen anderen Vorteil – den der Prävention vor Übergriffen. Die Fahrer könnten sich angesichts der gar nicht mehr seltenen Auseinandersetzungen mit Fahrgästen sicherer fühlen, meint auch Stammler.

Weniger Einnahmen

In erster Linie diene die Trennscheibe aber dem Gesundheitsschutz. Sie bedeute immerhin, dass in Zeiten der Lockerung auch „im Omnibusverkehr wieder etwas Normalität einkehrt“. Die Nutzerzahlen im öffentlichen Nahverkehr sind auf 20 Prozent eingebrochen, mittlerweile sei man bei rund 35 Prozent. Man sei aber noch weit entfernt von der Nachfrage in „Vor-Conora-Zeiten“, so Stammler. „Das sind drastische Umsatzeinbußen.“ Für die privaten Busunternehmen stelle das eine hohe finanzielle Belastung dar, zumal sie seit dem 4. Mai nach dem normalen Fahrplan verkehrten.

Im VVS sind rund 40 Busunternehmen vertreten. Der dank der Trennscheibe wieder mögliche Verkauf von Tickets sei eine „wichtige Einnahmequelle“, der Einbau werde deshalb von allen Betrieben unterstützt, sagt Stammler. Allerdings werde es ohne einen finanziellen Rettungsschirm des Bundes für den öffentlichen Nahverkehr nicht gehen. „Sonst haben wir Ende des Jahres keinen Busverkehr mehr“, sagt er.

Trennscheibe entwickelt

Auch Erhardt Kiesel von Schlienz-Tours, dessen Unternehmen Linien in den Kreisen Esslingen und Rems-Murr sowie in Kirchheim/Teck und die regionalen Expressbusse fährt, setzt darauf, dass der Ticketverkauf im Bus die Erlösseite anschiebt. Immerhin sorgt der sogenannte Gelegenheitsverkehr, der nur 17 Prozent der Fahrten ausmacht, für rund ein Drittel der Einnahmen. Mit der Entwicklung der Trennscheibe, die Kiesel stellvertretend für die Busbranche vorangetrieben hat, habe man eine „große Herausforderung“ gemeistert. „Wir wollen den Fahrer nicht in einen Käfig setzen“, betont Kiesel.

Allerdings hätten viele Aspekte berücksichtigt werden müssen, bis die Genehmigung vorgelegen habe – von der Bruchsicherheit und Hitzebeständigkeit über Reinigung, Desinfektion und Kratzempfindlichkeit bis hin zur Entspiegelung, Beschichtung und Antireflexion. „Da hat manchmal schon der Amtsschimmel gewiehert“, sagt er.

Entscheidend sei, dass die Trennscheibe den Blick des Fahrers nicht beeinträchtige. Deshalb sei Plexiglas von vornherein ausgeschieden. Nun verwendet man teures Sicherheitsglas in einem Alurahmen. Der Prototyp ist in einen Mercedes-Bus Citaro eingebaut, für andere Typen und Fahrzeuge wie den Esslinger O-Bus müssten noch die Anbau- und Befestigungsteile entwickelt werden. Der Einbau kann in Werkstätten in 30 Minuten erledigt werden, die Kosten für die Ausrüstung liegen bei rund 2000 Euro pro Scheibe. Stammler und Kiesel gehen davon aus, dass sie über ein Finanzierungsprogramm vom Land übernommen werden. Allein im VVS kämen drei Millionen Euro zusammen.

Einbau erst nach und nach

Die Trennwände sollen in den nächsten Wochen eingebaut werden. „Bis alle Busse damit ausgestattet sind, wird es einige Zeit dauern“, sagt Stammler. Für die Scheiben gebe es lange Lieferzeiten. Bis die Tickets wieder beim Fahrer gekauft werden könnten, sollten die Fahrgäste die Automaten oder die Vorverkaufsstellen nutzen. „Am besten geht es aber bargeldlos übers Handy“, empfiehlt Stammler. So sei das Einzelticket sogar preiswerter.