Ravi trägt weiß gestärktes Hemd mit Fliege, graue Nadelstreifenhose, silbern schimmernde Weste und Frack. Ob er irgendetwas für Madame tun könne? Die Koffer auspacken? Die Funktion der Schalter in der Kabine erklären? Die Klimaanlage wohltemperieren? Doch Madame hält sich für selbstständig und fremdelt mit dem Gedanken, 24 Stunden am Tag einen dienstbaren Geist beschäftigen zu können. Eine deutschsprachige Tageszeitung als Morgenlektüre vielleicht? Na gut, das wäre schön. Eine knappe Verbeugung, dann überreicht der junge Inder, der hier auf eigenen Wunsch anders heißt, eine Visitenkarte mit seiner Telefonnummer und entschwindet so lautlos, wie er gekommen ist.
Für die Suiten-Gäste gibt es einen eigenen Bereich
Der Butlerservice ist einer der Vorzüge, die man in der Kabinenkategorie Yacht Club des Kreuzfahrtunternehmens MSC Cruises genießt. Der Yacht Club ist eine eigene kleine Welt. Die Gäste logieren abgetrennt vom Rest des Schiffes in edel eingerichteten Suiten, ganz vorne am Bug. Zutritt zu den drei Yacht-Club-Decks erhält man nur mit speziell codierter Chipkarte. Hinter den chromumrandeten Glastüren wartet viel Platz und Privatsphäre. Statt Plastikliegen dicht an dicht stehen auf dem separaten Pooldeck Flechtmöbel mit bequemen Polstern bereit. Statt sich mit 4000 anderen Menschen am Büfett zu drängen, kann man sich das Essen im clubeigenen Restaurant oder auf der Kabine servieren lassen. Es gibt sogar eine Extra-Rezeption.
Schlange stehen? Fällt generell aus. Yacht-Club-Gäste finden überall eine „Priority Lane“. Ravi und seine livrierten Kollegen – darunter übrigens einige Frauen – reservieren auf Wunsch Plätze im Theater, geleiten ihre Schützlinge zum Ausflugsbus und eskortieren sie in den Wellnessbereich. Man könnte sich die Schuhe putzen und die Wäsche waschen lassen. Als Begleitschutz beim individuellen Landausflug stehen sie jedoch nicht zur Verfügung. „Sorry, Madame.“ Ravi schaut bedauernd. Merke: Ein Butler kann auch Nein sagen.
Klassengesellschaft wie auf der „Titanic“
„Schiff im Schiff“ nennt sich die Idee, die Annehmlichkeiten einer kleinen Luxusjacht mit den Vorzügen eines großen Schiffes zu verbinden. Das Konzept wurde von der Reederei Norwegian Cruise Line erfunden, die auf der 2006 bestellten „Epic“ einen abgeschlossenen Suitenbereich namens „The Haven“ (zu Deutsch: Zufluchtsort) einrichtete. MSC Cruises zog kurz darauf nach. Derzeit gibt es Yacht Clubs auf elf Schiffen, bald kommen mit der „MSC World Europa“ und der „MSC Seascape“ noch zwei dazu.
Schiff-im-Schiff-Konzepte sind eine Rolle rückwärts, zurück zur längst abgeschafften Klassengesellschaft der legendären Transatlantikliner wie etwa der „Titanic“. Allerdings funktioniert die neue Trennung dezenter und, ohne dass die anderen Passagiere Nachteile erleiden müssten.
Mit dem Angebot eines exklusiven Bereichs wollen sich die Reedereien neue Kunden erschließen. Die brauchen sie dringend: Denn die Durchschnittspreise für Seereisen sinken seit Jahren, es gibt einfach zu viele Schiffe. Im Yacht Club kann man für ein paar Tage das ausschweifende Leben der Oberschicht schnuppern, ohne wirklich Millionär zu sein. In einem von Sorgen und Ängsten geprägten Alltag richtig abschalten. Sich einmal im Leben als VIP oder Promi fühlen – der Spaß ist günstiger, als man denkt. Sparfüchse buchen eine Yacht-Club-Innenkabine – und zahlen weniger als anderswo für ein Quartier mit Balkon.
Schlafen, essen, sonnen, baden – theoretisch müsste man die Komfortzone überhaupt nicht verlassen. Die meisten Gäste aber tun es. Denn wer hier mitreist, schätzt die Wahlfreiheit. Sonst könnte man sich ja gleich bei einem Premium-Anbieter wie Hapag-Lloyd Cruises einbuchen. Ein großes Schiff wie die neue „MSC Seashore“ bietet jede Menge Abwechslung: verschiedene Restaurants und Bars, Shows im Theater, Livemusik im Club, Shoppingmall, Casino. Täglich gibt es ein mehrseitiges Programm, in dem Veranstaltungen und Workshops aufgeführt sind. Ravi, der die Kunst beherrscht, wie ein Flaschengeist aus dem Nichts auf den Fluren zu erscheinen, spricht gerne Empfehlungen aus: „Heute gibt es ein Barbecue auf dem Pooldeck“, sagt er. „Kleidungsempfehlung: weiß.“
Spleenige Wünsche der Hotelgäste
Ravi arbeitet bereits seit vier Jahren bei MSC und ist an Bord der „MSC Seashore“ für zehn Kabinen zuständig. Zuvor war er als Concierge in einem Luxushotel in den Vereinigten Arabischen Emiraten beschäftigt – und hat dort manchmal verrückte und vor allem kostspielige Wünsche erfüllt. Innerhalb einer Stunde einen Helikopter mieten oder mal eben schnell bei Apple ein Notebook kaufen. Die Kosten dafür stehen dann plus Servicegebühr auf der Hotelrechnung. „An Land gibt es keine Grenzen“, so Ravi, „doch hier an Bord können wir nicht alles versprechen.“
Die Butler sind keine Erfüllungsgehilfen, sondern kundige Berater. Unterstützt werden sie dabei von je einem Juniorbutler, der sich ähnlich wie ein normaler Kabinensteward um die Reinigung der Zimmer kümmert. Wenn Ravi sich unterfordert fühlt, lässt er sich einfach etwas einfallen: So stehen plötzlich Pralinen im Zimmer. Er bringt Sekt oder füllt ungebeten täglich den Eiskübel auf. Wenn die Kundschaft sich nichts wünscht, muss man eben versuchen, die Wünsche zu erahnen.
Erstklassig kreuzen
MSC Cruises
„MSC Yacht Club“ heißt die beste Buchungsklasse beim schweizerischen Familienunternehmen MSC Cruises. Der Yacht Club funktioniert nach dem „Schiff im Schiff“-Prinzip – ein abgeschlossener Bereich mit Restaurant, Bar, Sonnendeck, Pool und Extra-Service. Preisbeispiel: Mittelmeerkreuzfahrt mit der „MSC Seaview“ ab/bis Barcelona im August 2023, 7 Tage, ab 2289 Euro pro Person inklusive Flug in der MSC Yacht Club Innenkabine, www.msccruises.de.
Norwegian Cruise Line
„The Haven“ nennt sich der Suitenbereich auf den NCL-Schiffen. Das Prinzip funktioniert ähnlich wie bei MSC. Preisbeispiel: Mittelmeerkreuzfahrt ab/bis Rom im September 2023 auf der „Norwegian Viva“, 8 Tage, ab 7690 Euro pro Person inklusive Flug in der Haven-Penthouse-Suite, www.ncl.com/de.
Tui Cruises
Gäste in den Suiten und Juniorsuiten auf der „Mein Schiff“-Flotte haben einen eigenen Check-in und erhalten an Bord Zugang zu einer Lounge. Hier gibt es Snacks und besondere Getränke wie Champagner bis 19 Uhr kostenlos. Ein Concierge kümmert sich um die Buchung von Landausflügen, Spa-Terminen etc. Auf „Mein Schiff 3“ bis „Mein Schiff 6“ gibt es auch einen separaten Außenbereich. Preisbeispiel: Adria-Kreuzfahrt auf der „Mein Schiff 5“ ab Malta nach Triest im August 2023, 7 Tage, 2869 Euro pro Person inklusive Flug in der Junior Suite, www.meinschiff.com.
Aida Cruises
Wer eine Suite oder Junior Suite bucht, kann separat einchecken und hat Zutritt zu einer kleinen Lounge (geöffnet bis 22 Uhr, dafür gibt es keinen freien Champagner). Auf den Schiffen „Aida Perla“, „Aida Prima“, „Aida Nova“ und „Aida Cosma“ gibt es außerdem ein extra Sonnendeck mit Infinity-Whirlpools. Preisbeispiel: Westliches Mittelmeer ab/bis Mallorca im September 2023, 7 Tage, ab 2879 Euro pro Person in der Junior Suite inklusive Flug, https://aida.de.
Hapag-Lloyd Cruises
An Bord der „Europa“ oder der „Europa 2“ gibt es ausschließlich Suiten mit Balkon. Alle Bereiche an Bord sind für jeden Passagier zugänglich. Gäste bestimmter, teurerer Suiten bekommen einen Butler zur Seite gestellt. Preisbeispiel: Norwegenkreuzfahrt von Kiel nach Bergen, 8 Tage im September 2023, ab 5910 Euro pro Person in einer Ocean Suite inklusive Anreisepaket, www.hl-cruises.de.