In der Gemeinde Böllen werden 2030 keine Kinder mehr geboren werden – sagt die Statistik. Der Bürgermeister bleibt gelassen. Er hat gute Argumente, warum das Dorf überleben wird.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Böllen - Die Gemeinde Böllen stirbt aus. Das wäre zwar jammerschade, denn das Dorf im Böllenbachtal am Fuße des Belchen ist ein überaus beschauliches Stückchen Erde. Doch die Statistik, genauer die Bevölkerungsvorausrechnung sagt: 2030 werden in dem kleinen Weiler im tiefsten Schwarzwald (und ebenfalls in dem Ort Emeringen auf der Schwäbischen Alb) keine Kinder mehr geboren. Das Ende des kleinen Dorfes wäre dann nur noch eine Frage der Zeit.

 

Zahlen zur Bevölkerungsprognose, zu Landtagswahlen, Tourismus und mehr gibt es im BW-Atlas.

Bruno Kiefer muss schmunzeln, als er von dieser Prognose aus dem BW-Atlas der Stuttgarter Zeitung erfährt. Er ist der Bürgermeister der kleinsten selbstständigen Gemeinde Baden-Württembergs. Aber der Mann lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. An den Fingern zählt Kiefer die Namen des Nachwuchses auf, der jüngst in Böllen das Licht der Welt erblickte. „Mindestens fünf Kinder sind unter sechs Jahre alt“, sagt er. Kiefers Schlussfolgerung: für genügend Nachwuchs ist gesorgt in der Gemeinde, die insgesamt nur 94 Einwohner zählt.

Der Bürgermeister bleibt gelassen

Der Bürgermeister hat gleich mehrere Erklärungen, wie die Statistiker auf ihre besorgniserregende Prognose kommen. „Früher hatten hier alle Familien sechs, sieben oder acht Kinder, heute ist das natürlich anders.“ Die Bevölkerungsentwicklung im Böllenbachtal verläuft also wie großen im Rest der Republik – was nicht wirklich überraschend ist. Aber es gibt einen weiteren, sehr Böllen-spezifischen Grund für die Stagnation: die Gemeinden kann nicht expandieren. „Es ist praktisch unmöglich, hier neue Häuser zu bauen“, erklärt Bruno Kiefer das Dilemma, „wir können keine neuen Baugebiete auszeichnen.“ Der Naturschutz hat dem Wachstum des Dorfes also eine Grenze gesetzt. Die einzige Chance ist, dass die Familien ihre bisweilen überaus imposanten Schwarzwaldhäuser, die zum Teil noch aus dem 18. Jahrhundert stammen, ausbauen. Bruno Kiefer: Natürlich könnten auch in solch einem staatlichen Gebäude nicht unbegrenzt viele Menschen leben.

Der Bürgermeisters widerspricht der Prognose der Statistiker mit dem Brustton der Überzeugung. Er tut das, weil die Lebensqualität in Böllen sehr hoch ist. Und das bezieht sich nicht nur auf die wunderbare Natur, von der es im Böllenbachtal sehr viel gibt. „Wir haben hier null Arbeitslose“, sagt Kiefer. Die Menschen leben aber nicht wie früher eher ärmlich von der Landwirtschaft. Die meisten Einwohner finden Arbeit bei den mittelständischen Betrieben in der Nähe.

Wenige Kilometer entfernt, in Wembach, hat die Firma Hella ihren Standort, nach eigenem Bekunden „seit mehr als 60 Jahren zuverlässiger Partner rund um die Fahrzeug-Innenbeleuchtung und Elektronik“. Rund 700 Menschen sind dort angestellt. Im nahen Todtnau arbeiten 300 Leute bei Zahoransky einer Spezialmaschinenfabrik für die Bürstenindustrie. Dass in Böllen eher wohlhabende Menschen wohnen, lässt sich allein an den neu renovierten Häusern in der Gemeinde ablesen.

Eine reiche Gemeinde

Und auch die Gemeinde selbst nagt nicht gerade am Hungertuch. Rund 600 Hektar misst die Gemarkung, davon sind knapp 260 Hektar Wald – bei den aktuellen Holzpreisen eine sehr gute Einnahmequelle. „Die Gemeinde hat keine Schulden“, kommentiert Bruno Kiefer sichtlich zufrieden. Auch über das Zusammenleben in Böllen kann der Bürgermeister nur Gutes erzählen. „Bei uns passt eigentlich alles zusammen und jeder kommt mit dem anderen gut aus.“

Als Beweis dafür dient dem Bürgermeister die Zahl der Mitglieder in der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr. „18 von 94 Einwohnern machen da mit“, sagt er. Und zwischen all diesen positiven Eindrücken vergisst der Bürgermeister doch glatt den erfolgreichsten Club des Dorfes zu erwähnen. Böllen ist eine Hochburg des Tauziehens. Schon mehrere Deutsche Meisterschaften konnten im Laufe der Jahre errungen werden. Also alles in Ordnung in Böllen? Nicht ganz: der Handyempfang ist miserabel und meist zeigt das Smartphone die lapidare Meldung „Kein Netz“.

Wer damit leben kann und sich angesichts der verlockenden Rahmendaten überlegt, nach Böllen umzusiedeln, hier ein kleiner Tipp: unbedingt nach Oberböllen ziehen! Die gesamte Gemeinde liegt in 600 bis 1320 Metern Höhe. Das bedeutet, dass in Niederböllen die Sonne an warmen Wintertagen schon hinter den Bergen verschwunden ist, während in Oberböllen die Einwohner noch zufrieden vor der Tür die letzten Strahlen genießen können.


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