Erstmals seit der Pandemie reisen baden-württembergische Start-ups wieder zur South by Southwest in Austin, der größten Kreativkonferenz der Welt. Der Trip ist aufwendig und teuer. Die Gründerin Antonia Zock erzählt, warum er sich dennoch lohnt.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Im Frühling sind in Austin nicht nur die Eichhörnchen rastlos. Die Tiere graben in den Parks am Colorado River nach Nüssen, die Menschen in der nahen City suchen Ideen, Kontakte und Investorengelder. So hat eben jeder etwas zu tun in der Hauptstadt des Bundesstaats Texas, die das Magazin New Yorker als „Hippiestadt“ bezeichnet, „die mit Tech-Geld vollgepumpt wird“.

 

Teile der Digitalindustrie sind mittlerweile vom Silicon Valley nach Austin umgezogen: Die Mieten sind günstiger, die Stadt ist hübsch und im März reist jedes Jahr die halbe Welt zur South by Southwest an, kurz SXSW. Ursprünglich als Musikfestival konzipiert, darf das Event mit seinen weit mehr als 100 000 Teilnehmern als größte Kreativkonferenz der Welt gelten. Neben neuer Popmusik und Filmen werden hier die Geschäftsmodelle von morgen diskutiert. Meistens geht es darum, die Welt besser zu machen, und sei es nur für die noch zu gewinnenden Kunden.

Mit Bahn-Vorständin gegründet

Aus Baden-Württemberg ist unter anderem Antonia Zock nach Austin gekommen. Mit 31 hat sie nach einigen Jahren bei Mercedes-Benz das Unternehmen Aivitex gemeinsam mit der Technikvorständin der Bahn Daniela Gerd tom Markotten gegründet. Ihr Produkt ist ein Tool, das Vor-Ort-Besuche durch Videoanrufe ersetzt. Versicherungen, Energieberater oder große Wohnungsanbieter können damit Kosten sparen und für Kunden sei das vielfach auch komfortabler, ist Zock überzeugt.

Nach Austin ist sie gekommen, um Investorengelder einzusammeln. Aivitex ist in der sogenannten Seed-Phase: das Unternehmen erzielt erste Einnahmen und soll nun wachsen. Viel interessanter als das offizielle SXSW-Programm mit Podiumsgesprächen und Keynotes ist für sie das, was drumherum passiert. Zum Beispiel in der „Established Lounge“. Sie ist direkt an der Partymeile 6th Street gelegen, doch statt harter Drinks gibt es hier am Sonntagvormittag zu Kaffee aus dem Pappbecher Diskussionen über die Pleite der Silicon Valley Bank und Networking.

Die Welt weißer Männer

Antonia Zock könnte auf die T-Shirts der Gründer schauen, um zu verstehen, wer noch alles da ist. Doch die Gründer von Firmen wie der „Bachelorette Party Planning Platform“ oder „Accelerate 3D“ sind für sie weit weniger interessant als die Fondsmanager. Deren Namen und Arbeitgeber stehen auf den übergroßen Ausweisen, die sich bei der SXSW alle um den Hals hängen.

In der „Established Lounge“ treffen sich wie in der Gründerszene überhaupt mehrheitlich weiße Männer. Das gilt auch für die Fondsmanager, die das Geld der Reichen in junge Firmen investieren. Auch deshalb geht Antonia Zock direkt auf Erica Duignan Minnihan von Reign Ventures zu. Der Fonds legt Wert auf die Diversität der von ihm finanzierten Gründer.

Eine Viertelstunde nimmt Minnihan sich Zeit für das Gespräch mit Antonia Zock. Das ist weit mehr als die wenigen Augenblicke, die man sonst bei solchen Gesprächen hat, um sich selbst und sein Produkt vorzustellen – der berüchtigte „Elevator Pitch“. Hinterher werden Visitenkarten ausgetauscht oder der zum Linkedin-Profil führende QR-Code vom Smartphone abgescannt. „150 potenzielle Investoren muss man schon ansprechen, bevor die Finanzierung steht“, schätzt Antonia Zock. Auf ein paar Dutzend kommt sie alleine während der sechs Tage auf der SXSW.

Südwest-Delegation auf der South By Southwest

Sie ist als Teil einer baden-württembergischen Delegation in Austin. Acht Start-ups haben sich erfolgreich bei der staatlichen Förderagentur BW-i und der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart (WRS) um Unterstützung beworben. Die Start-ups sollen „nützliche Kontakte herstellen und wir wollen sie so gut auf die SXSW vorbereiten, dass sie den größtmöglichen Mehrwert erzielen“, sagt Cornelia Frank von BW-i. Abends trifft man sich zum Austausch im „German Haus“ oder bei einem der vielen Empfänge in den Hotels und Bars der Stadt. Dabei seien die Firmen „Botschafter für den Standort Baden-Württemberg“, sagt Cornelia Frank.

Diese Rolle übernimmt auch Veit Haug von der WRS. Er verteilt Werbeflyer in Form von Bordkarten Austin-Stuttgart, mit denen internationale Start-ups für einen zweiwöchigen Besuch in der Region Stuttgart begeistert werden sollen. An den Mann oder die Frau bringt er sie in den zahlreichen Warteschlangen oder bei der „oft zufälligen persönlichen Interaktion, die durch nichts zu ersetzen ist“, so Haug. Wie viel die fast 9000 Kilometer weite Reise gebracht hat, könne man freilich erst nach einigen Monaten sagen. Dann zeigt sich, was die vielen neuen Kontakte wert sind. „In jedem Fall kommt man mit frischen Ideen und positiver Energie nach Stuttgart zurück“, so Haug.

Eine Woche nach der SXSW sitzt Antonia Zock in einem Stuttgarter Café. Sieht sie es ähnlich? „Die SXSW ist eines der besten Events, auf denen ich je war“, sagt sie. Dank der intensiven Vorbereitung war sie auch bei exklusiven Treffen dabei. Und: „In den USA funktioniert die Gründerszene anders, du brauchst ein ganz anderes Storytelling.“ Auch nach der Pandemie und als Anbieterin einer Videotelefonie-Software kann man so etwas nur vor Ort so richtig erfahren.