In Frankreich dürfen Cafés und Restaurants wieder öffnen – in Paris unter erschwerten Bedingungen.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Paris - Punkt Punkt Mitternacht klingen im Royal Cambronne die Gläser. Die Gäste in dem vollbesetzen Café im 15. Arrondissement von Paris begießen mit großem Hallo das Ende einer 80 Tage dauernden Leidenszeit. So lange waren Bistros und Restaurants in Frankreich wegen der Corona-Pandemie geschlossen.

 

Seit Dienstag dürfen die erleichterten Wirte unter sehr strengen Auflagen wieder ihre Kundschaft bedienen. „Ich hätte nie geglaubt, dass mir der Besuch im Bistro so sehr fehlen würde“, gesteht Catherine Philippe, eine junge Bankangestellte, die sich in der Vor-Corona-Zeit fast jeden Abend noch kurz auf ein Glas mit ihren Freunden getroffen hatte.

Paris gilt als Corona-Risikogebiet

Im Royal Cambronne ist in dieser lauen Juninacht allerdings nur die Außenterrasse geöffnet, denn Paris gilt in Sachen Corona weiter als Risikogebiet, weshalb die Innenräume der Bistros noch mindestens für drei Wochen tabu sind. Im Rest von Frankreich reicht es, wenn die Betreiber der Gaststätten in den Lokalen selbst den vorgegebenen Sicherheitsabstand von einem Meter zwischen den Tischen einhalten – und natürlich ist das Tragen von Masken für das Personal Pflicht.

Anne Hidalgo, die Bürgermeisterin von Paris, ist allerdings bekannt für ihre Kreativität und Durchsetzungskraft. Kaum hatte der konservative französische Premier Édouard Philippe vergangene Woche die besonderen Einschränkungen der Corona-Regelungen im Fall von Paris verkündet, meldete sich die sozialistische Politikerin zu Wort. Natürlich könnten die Bistros in ihrer Stadt unter diesen Umständen die Terrassen vergrößern, erklärte Anne Hidalgo. Zu diesem Zweck ordnete sie an, einige kleine Straßen für den Autoverkehr zu sperren und vor allem die Parkplätze vor den Lokalen den Wirten für Tische zur Verfügung zu stellen. Ihrer Ansicht nach gehören die typischen Cafés zum Stadtbild von Paris und sind eine Art Aushängeschild. „Ein Bistro – das ist für mich der Geruch von Kaffee und eines warmen Croissants“, schwärmte Anne Hidalgo in einem Interview mit der Tageszeitung „Le Parisien“.

Die Bürgermeisterin verärgert die Autofahrer

Ähnlich forsch war die Bürgermeisterin der französischen Hauptstadt vor einigen Wochen im Fall der in Paris umstrittenen Radwege vorgegangen. Während der Corona-Krise und dem damit zusammenhängenden drastischen Lockdown war der Autoverkehr in der Stadt dramatisch zurückgegangen, gleichzeitig stieg steil die Zahl der Radfahrer. Also ordnete Anne Hidalgo praktisch über Nacht den Ausbau des bestehenden Radnetzes um rund 50 Kilometer an. Dazu wurden auf einigen Hauptverkehrsadern den Autos rigoros ganze Fahrspuren abgezwackt. So können die Pedaleure nun etwa auf der wichtigen und viel befahrenen Rue Rivoli angstfrei und bequem die halbe Innenstadt durchqueren.

Der Aufschrei bei den Automobilisten im Land war groß. Anne Hidalgo beruhigte allerdings die Gemüter und versprach, dass die Maßnahme zeitlich begrenzt sei – was allerdings nicht alle Betroffenen glauben wollen. Kritiker werfen der 60-Jährigen ein gehörige Portion Populismus vor, da sie bei solch spektakulären Aktionen vor allem ihre Wiederwahl in einigen Wochen im Auge habe. Schätzungen zufolge besitzt nicht einmal die Hälfte der Haushalte in Paris ein Auto, was den Einsatz von Anne Hidalgo für die Radwege, den Nahverkehr und die Ausweitung der Grünflächen in der Stadt zu Lasten der Autofahrer erklären würde.

Hidalgo zielt auf die Stimmen von Nicht-Autobesitzern und Café-Besuchern

Auch im Fall der aktuellen Ausnahmegenehmigungen für die Bistros und Restaurants scheinen ihr die Wählerstimmen nicht ganz egal zu sein. In der Millionenmetropole an der Seine gibt es nach Schätzung der Tageszeitung „Le Parisien“ rund 15 000 Cafés, Bars und Restaurants mit einer für Paris typischen Terrasse. Deren Besitzer sind natürlich voll des Lobes für die Anordnung der Bürgermeisterin, die Bewirtungsfläche auf die Straße auszuweiten. Auch die mehrere Tausend Restaurants, die keinen Außenbereich haben, können unter den aktuellen Umständen nun Gäste bewirten.

Am Dienstag stellten eifrige Kellner bei strahlendem Sonnenschein und fast 30 Grad Tische und Stühle auf die breiten Gehsteige. Dabei müssen allerdings einige Regeln eingehalten werden. Das Mobiliar darf aus ästhetischen Gesichtspunkten keine Beleidigung für das Auge der Passanten darstellen. Und gespeist wird natürlich ebenfalls mit Stil: Einweggeschirr und Wegwerfbesteck sind verboten.