Wenn das Telefon mehrfach klingelt, aber nach dem Abnehmen niemand antwortet, war wahrscheinlich ein automatisches Wählprogramm in einem Callcenter am Werk. Wer sich dadurch belästigt fühlt, kann sich an die Bundesnetzagentur wenden.

Bonn - Das Telefon klingelt, doch am anderen Ende meldet sich keiner. Es rauscht nur oder die Leitung wird unterbrochen. Manchmal klingelt es nur ein paar Mal, dann nicht mehr. Tagelang kann das so gehen – und für die Betroffenen zur massiven Belästigung werden. Wer das erlebt, ist in die Fänge eines automatischen Wählprogramms geraten, das Callcenter einsetzen, um in kurzer Zeit möglichst viele Zielpersonen anzurufen.

 

Für die Telefonvermarkter sind solche umstrittenen Programme sehr praktisch, sie sparen Zeit und Kosten. Damit alle Mitarbeiter im Callcenter ständig zu tun haben, ruft der Computer laufend Personen an und vermittelt sie zu Mitarbeitern, die gerade keinen Kunden in der Leitung haben. Sind aber alle Plätze im Callcenter belegt, werden die laufenden Anwahlen abgebrochen oder in Warteschleifen geschaltet. Später wird neu angewählt – im schlimmsten Fall so lange, bis die Vermittlung irgendwann klappt.

65.000 Beschwerden wegen Rufnummern-Missbrauch

Für die Angerufenen können die Wählprogramme – in der Branche „Predictive Dialer“ genannt – zur Zumutung werden. Viele Bürger sind über solche Machenschaften nachhaltig verärgert. Das zeigt die neue Beschwerdestatistik der Bundesnetzagentur (BNA), die der StZ vorliegt. Rund 65 000 schriftliche Beschwerden über Rufnummern-Missbrauch sind voriges Jahr bei der Bonner Aufsichtsbehörde eingegangen. „Das belästigende Anrufverhalten von Callcentern war dabei Gegenstand von fast jeder zweiten dieser Beschwerden“, sagt BNA-Sprecher Fiete Wulff. Die Behörde soll Verstöße gegen das Telekommunikationsgesetz ahnden und so Verbraucher vor Telefon-Abzockern und unzumutbarer Belästigung schützen. Wer Spam per SMS, Fax oder Mail bekommt, sich über Abo-Fallen ärgert oder ungewollt bei teuren Hotlines landet, kann das bei der BNA anzeigen. Dort wird die Sache geprüft – und im besten Fall den Abzockern das Handwerk gelegt.

Allein voriges Jahr hat die Behörde 1624 Verfahren wegen Rufnummernmissbrauchs eingeleitet. „In 116 Fällen wurde die Abschaltung von 1004 Rufnummern angeordnet“, sagt Wulff. Zudem wurden in 217 Fällen Fakturierungs- und Inkassoverbote erteilt, die betroffenen Anbieter durften das verlangte Geld also nicht kassieren. So soll der grassierende Missbrauch von Rufnummern wirtschaftlich weniger attraktiv werden. Einem Anbieter hat die Aufsicht voriges Jahr sogar das gesamte Geschäftsmodell untersagt.

Das ist bei den lästigen Anruf-Programmen von Callcentern nicht so einfach möglich. Denn bisher gibt es keine gesetzlichen Regelungen zum Anrufverhalten dieser Telefonvermarkter und ihrer Automaten. Allerdings verbietet das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) in Paragraf 7 (Absatz 1) die unangemessene Belästigung der Angerufenen. Damit muss jeder Einzelfall für sich betrachtet und entschieden werden. Die Behörde hat deshalb voriges Jahr die Initiative ergriffen und 2400 Verbraucher sowie Verbände und Unternehmen befragt. Danach wurden die Ergebnisse ausgewertet, die offenbar wenig Zweifel daran ließen, dass gehandelt werden muss.

Freiwillige Selbstverpflichtung der Branche soll helfen

Zunächst allerdings bleiben den Unternehmen verschärfte Gesetze erspart. Die Branche wurde lediglich aufgefordert, bis Ende 2014 selbst einheitliche Regeln aufzustellen, die Verbraucher besser schützen. Diese freiwillige Selbstverpflichtung gibt es seit Jahresbeginn. Der gemeinsame Branchenkodex für Telefonmarketing soll für alle Unternehmen gelten. Entwickelt wurden die Verhaltensregeln vom Deutschen Dialogmarketing Verband (DDV) und dem Call Center Verband Deutschland (CCV). „Er beschreibt ganz klar, was erlaubt ist und was nicht“, sagt CCV-Präsident Manfred Stockmann über den Kodex. Darin seien grundsätzliche Verhaltensweisen der Vermarkter am Telefon ebenso wie Anruf- und Rückrufzeiten, Wahlfrequenzen und die Anzahl möglicher Anrufe geregelt. Auch die Hersteller von Anwahl-Computern haben sich offenbar angepasst – und werben nun damit, dass ihre Programme den neuen Verhaltensregeln entsprechen. Genervte Verbraucher dürfen also zumindest hoffen, künftig am Telefon etwas weniger belästigt zu werden.

Was Betroffene tun können

Beschwerde
Wer ständig Anrufe erhält, bei denen die gleiche Nummer angezeigt wird, ohne dass ich jemand meldet, ist vermutlich Opfer eines automatischen Wählprogramms. Über solche Belästigungen kann man sich bei der Bundesnetzagentur beschweren (Bundesnetzagentur, Nördeltstr. 5, 59872 Meschede; E-Mail: rufnummernmissbrauch@bnetza.de).

Formular
Unter www.bundesnetzagentur.de gibt es auch ein Formblatt für Beschwerden, das den Experten die Ermittlungen erleichtert. Man findet das Formblatt am schnellsten über die Eingabe des Begriffs „predictive dialer“ in der Suchmaske der Startseite rechts oben. Protokolliert werden sollte unbedingt die Häufigkeit der Anrufe. Die Behörde entscheidet im Einzelfall – und kann nur bei unangemessenen Belästigungen einschreiten.