Fluxus-Zeit neigt sich dem Ende zu. Ende Juni ist in der Calwer Passage Schluss für die alternative Einkaufsmall in Stuttgart. Ein Rückblick mit dem Fluxus-Macher Hannes Steim.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Hannes Steim hat mal Medizin studiert, vor allem immer viel Musik gemacht, Partyreihen organisiert und letztlich an der Hochschule der Medien (HdM) Audiovisuelle Medien fertig studiert; und als er auf das alles keine Lust mehr hatte, mit seiner Freundin Maria-Assunta Marci die Boutique „Là pour Là“ eröffnet. Wovon er jedoch nachts definitiv nie geträumt habe, war, eine Einkaufspassage zu leiten, sagt er heute. Tatsächlich ist es aber das, was er fast die letzten vier Jahre gemacht hat – und überaus erfolgreich.

 

Aus drei Monaten wurden mehr als drei Jahre

Drei Monate – länger war das Projekt Fluxus Contemporary Mall im Herbst 2014 gar nicht geplant. Aus den drei Monaten wurden dreieinhalb Jahre. Und ein Projekt, auf das Stuttgart nur gewartet zu haben schien. Klar, der Charme der denkmalgeschützten Calwer Passage mit der runden Glaskuppel aus Glas ist das eine. Das alleine hat davor wenige Menschen in die verlassene Zeile gelockt. Nein, vielmehr hat Steim mit den sechs Gründungsmietern und später fast 50 Pop-Up-Konzepten ein einzigartiges Projekt geschaffen, dass es so auch in anderen Städte selten gibt.

Kleine, inhabergeführte Einzelhänder aus der Region, liebevoll gestaltete Gastronomien mit besonderem Konzept und der Standort quasi noch Premium-Innenstadtlage – das zusammen ergab das Fluxus, das vom ersten Tag an einSzenetreffpunkt in der Stadt war. Tagsüber versammeln sich dort die Stuttgarter, die gerne in persönlichen Lädchen einkaufen, abends ziehen die Gastronomien – das Holzapfel, das Tatti Café und Bar sowie das Cape Collins – viele Feierfreudige an, bei schönem Wetter ist der Platz vor der Calwer Passage schon ab dem frühen Nachmittag voll.

Von den knapp 50 Mietern waren die Hälfte Neugründungen

So richtig wahrhaben wollte es deshalb in der Stadt niemand – aber immer war klar, dass das Fluxus nie für immer bleiben wird. Vielleicht hat das den Charme der kleinen Einkaufsmall ausgemacht: das Ende immer in Sicht. Am 30. Juni ist für die Fluxus-Händler nun Schluss. Wie es Steim damit geht? „Ich bin froh und wehmütig zugleich.“ Aber: „Für die Leute und die Stadt ist es schade, um das schöne Projekt.“

Von den knapp 50 Mietern, die in den letzten Jahren einen Shop im Fluxus hatten, seien fast die Hälfte Neugründungen gewesen – Konzepte, die von Fashion über Gastro bis zu Lifestyle, Accessories und sogar Sport reichten. Der erste Botanical Affairs-Laden zum Beispiel, mit Pois eine faires Obstgeschäft, Riedmüllers erster Craft-Beer-Shop, mit dem IFixit sogar ein Repair-Café. Das zeigt: „Wenn man die Mieten runtersetzt, dann passieren lustige Dinge“, sagt Steim. Die meisten der Händler – „unsere Gang“ nennt Steim sie liebevoll – hätten sich in der Innenstadt niemals einen Laden leisten können. „Wir sind dem Vermieter unendlich dankbar, dass wir diese Chance bekommen haben“, ergänzt der Fluxus-Gründer. Der Investor Ferdinant Piëch habe mit ihnen ein Experiment gewagt. „Sowas kann ja auch schief gehen“, sagt Steim. Ist es aber nicht.

Einige Läden ziehen an die Eberhardstraße um

Stadtentwicklungspolitisch hätte das Fluxus einen großen Wert gehabt, sagt Steim. Gerade für Stuttgart, wo Experimentierfelder selten sind. Stuttgart sei nicht Kopenhagen, wo es an jeder Ecke kleine Fluxusse gebe. Nun muss aber aus Steims Sicht eben nicht alles „bis zum Sankt Nimmerleinstag“ bestehen. Trotzdem hat er sich eine Zeit lang um einen alternativen Standort bemüht. Geklappt hat das bisher nicht. „Aber den Charme des Fluxus einfach irgendwo anders fortzuführen, das hätte wohl auch nicht funktioniert.“

Ganz zu Ende ist die Fluxus-Geschichte trotzdem nicht. Einige Läden haben schon alternative Standorte in der Stadt gefunden. So ziehen das Lala Healty Living, das Superjuju und der Laden Eddies Who gemeinsam an die Eberhardstraße, am Abgang zur Rathauspassage. Wann genau, das es sei noch offen, sagt Johannes Mössmer, Mitbesitzer von Eddies Who. Die Verträge seien allerdings unterschrieben.

Auch Heike Ehrath würde gerne mit ihrem Designkiosk dorthin mitziehen. Dort gebe es einige Leerstände. Sie ist noch in Verhandlungen mit dem Vermieter, der Allianz. „Ich bin gespannt, wie es weitergeht“, sagt die Händlerin. Das Fluxus sei deshalb ein idealer Ort gewesen, die Händler mit ähnlichen Gedanken und Konzepte hätten sich gegenseitig befruchtet. „Viele Leute fanden es super, es ist ja fast schon ein Touristen-Ort geworden“, so der Eindruck Ehraths. Zumal man mit Hannes Steim eben jemand gehabt habe, der das Fluxus nach außen hin gut repräsentiert habe.

Mademiselle Yéyé sucht noch einen neuen Standort

Noch nicht fünfig geworden sind Florence Shirazi und Kai Alt mit ihrem Label Mademoiselle Yéyé. „Wir wollen schon weitermachen, aber wir haben noch nicht das Perfekte gefunden“, sagt Kai Alt. Denn verschlechtern wolle man sich eben auch nicht. Es habe Zeit gebraucht, bis der Laden sich etabliert habe, aber nun sei der Zuspruch stetig gewachsen. Deshalb könnte man sich durchaus auch vergrößern. Eine Erdgeschoss-Lage in der Innenstadt sei aber eben schwer zu finden, so Alt.

Das persönliche Fazit von Steim: „Es war genial und manchmal nervig. Und es hat mega Spaß gemacht.“ Froh sei er, dass die Läden in der Stadt weiterleben. „Und vielleicht gibt es ja mal wieder jemand, der so etwas in Stuttgart macht.“ Seine eigenen Pläne? „Erst mal nix“, sagt der 39-Jährige. Er gönne sich erst einmal eine Pause, auch das Lá Pour Lá führt er mit Maria-Assunta Marci nicht weiter. Es lohne sich nicht so, dass man weitermachen könnte. „Das Ganze war auch nicht mein Wunschkonzert“, sagt Steim. Was das gewesen wäre? „Das werde ich jetzt herausfinden.“