Ein simples Prinzip sorgt für staunende Gesichter: In der Waiblinger Stadtbücherei gibt es während der Gartenschau eine begehbare Camera obscura. Das Projekt der Kunstschule Unteres Remstal steht Besuchern kostenfrei zur Verfügung.

Leserredaktion : Kathrin Zinser (zin)

Waiblingen - Im ersten Moment ist da nichts weiter als ein dunkler, kahler Raum mit einem kleinen Loch in der Wand. Doch nach einigen Minuten werden die diffusen Schatten an den Wänden langsam klarer und vor allem: lebendig. Da geht ein Fußgänger vorbei, dort bewegen sich Äste im Wind, Fachwerkhäuser und Fahrräder sind zu erkennen, wenn auch aus ungewohnter Perspektive. Denn in der Camera obscura steht die Welt auf dem Kopf.

 

Wer sich selbst ein Bild machen möchte, kann das von diesem Samstag an in der Waiblinger Stadtbücherei tun. Die dort aufgebaute, begehbare Camera obscura ist ein Projekt der Kunstschule Unteres Remstal, gefördert durch die Baden-Württemberg Stiftung. Die Idee dazu stammt von Alexander Riffler, der Fotokünstler und Dozent an der Kunstschule ist und das Projekt leitet. „Ich arbeite schon ziemlich lange damit“, erzählt er.

Staunen können

Zusammen mit einem Schreiner hat Riffler in der Bibliothek die 2,45 Meter mal drei Meter große Kammer aufgebaut, für ihn die erste dieser Größe. Zumindest, wenn man von dem Arbeitszimmer absieht, das der Kunstschuldozent abgedunkelt hat, um seiner Enkelin das Prinzip zu demonstrieren. „Sie fand es absolut cool“, erinnert er sich mit einem Lächeln. „Das ist das Schöne daran, dass alle staunen, dass man heutzutage noch staunen kann“, sagt Alexander Riffler. Denn eigentlich ist das Prinzip der Camera obscura relativ simpel. Es war bereits in der Antike bekannt: Wenn Licht durch ein kleines Loch in einen ansonsten dunklen Raum fällt, wird in ihm ein spiegelverkehrtes und auf dem Kopf stehendes Bild, eine Projektion des Außenraumes, erzeugt. Es gibt verschiedene Varianten dieser Technik, manche nutzen zum Beispiel verstärkende Linsen oder Spiegel.

„Wir haben hier die einfachste Form, nur mit einem Loch in der Wand“, erklärt Riffler. „Wenn ich ein kleineres Loch verwende, wird das Bild schärfer“, sagt er und nimmt ein Stück Pappe, in dessen Mitte sich ein Loch mit einem geringeren Durchmesser befindet. Er klebt es über die Öffnung in der Wand und tatsächlich erscheinen die Konturen in der Camera obscura plötzlich ein wenig deutlicher.

Warum die Stadtbücherei gut geeignet ist

„Es hat fast etwas Meditatives, denn man muss Geduld haben, bis man das Bild sehen kann“, sagt Christine Lutz, die Leiterin der Kunstschule Unteres Remstal und lobt die „tolle Kooperation“ mit der Stadtbücherei. Sie sei sofort Feuer und Flamme gewesen, berichtet deren Leiterin Ute Bräuninger-Thaler. „Einfach faszinierend“, sei die Camera obscura, auch wenn sie selbst einige Zeit gebraucht habe, um etwas zu sehen. Um Platz zu schaffen, habe man einige der Schülerarbeitsplätze beiseite geräumt. „Aber das ist es wert – welche Stadtbücherei hat schon eine eigene Camera obscura“, sagt Bräuninger-Thaler voller Stolz.

Das Projekt in der Bibliothek zu realisieren sei naheliegend gewesen, „wir kooperieren sowieso viel“, erklärt Christine Lutz. Außerdem sei hier, an diesem zentralen Ort, viel Publikumsverkehr. Man könne einfach eintreten und die Camera obscura ausprobieren. „Das ist etwas Neues für Waiblingen und wir hoffen, dass es einschlägt und wahrgenommen wird“, sagt Lutz.

Die Kammer kann bis zum 20. Oktober während der Öffnungszeiten der Bücherei kostenlos besucht werden. Zusätzlich wird es verschiedene Führungen und Workshops für Kinder, Jugendliche und Erwachsene geben.