Mehr Schule auf weniger Fläche, dafür mit einem zwar abgespeckten, aber immer noch innovativen Bildungskonzept: Im Stuttgarter Schulbeirat wurden die pädagogischen Pläne für das Bildungshaus Neckarpark vorgestellt, doch der Beirat bezweifelt, dass groß genug geplant wird.

Stuttgart - Im künftigen Wohnquartier Neckarpark soll auch ein Bildungshaus entstehen. Im Schulbeirat erläuterte Renate Schlüter, die Moderatorin der Projektgruppe Neckarpark, das pädagogische Konzept. Das Bildungshaus soll nun eine vierzügige Ganztagsgrundschule von Klasse eins bis vier und sieben Kitagruppen zusammenbinden, zudem sollen dort eine Einfeld-Turnhalle und eine Gymnastikhalle gebaut werden. Als „beispielloses Konzept“ kündigte Bildungsbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) das Vorhaben an – „denn bisher gab es das nicht, dass Kita und Schule so eng miteinander verzahnt sind“.

 

Eisenmann und das Modellvorhaben

Bereits 2009, zu Zeiten der schwarz-gelben Landesregierung, hatte die damalige Schulbürgermeisterin und heutige Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) das Modellvorhaben ins Spiel gebracht – unter dem Stichwort: „Bildung als Standortfaktor“. Doch sie scheiterte mit dem Vorhaben, Kita, gemeinsames Lernen bis zur sechsten Klasse samt anschließenden Sekundarstufen unter einem Dach anzubieten, um ein neues Wohnviertel attraktiv zu machen. Inzwischen wird immer noch über das Wohnviertel gestritten, in dem jetzt viel mehr Wohneinheiten entstehen sollen als ursprünglich geplant, dafür auf geringerer Fläche – was nicht ohne Auswirkungen für das Bildungshaus ist, zumal auch dieses weniger Außenfläche bekommen soll als ursprünglich geplant. Zwölf der 19 Kitagruppen werden auf andere Grundstücke verteilt.

Moderatorin Schlüter machte jedoch deutlich, dass auch das aktuelle Konzept des Bildungshauses innovativen Charakter habe. Schließlich solle „ein Bildungscampus entstehen, der für alle Bürger offen ist“ und mit einer Cafeteria auch Treffpunktcharakter habe. In ihm sind auch ein Elternzimmer, eine Mensa und ein Mehrzweckraum geplant. „Diese Räume bilden das Herz des Campus“, so Schlüter.

Für die Kinder seien sogenannte Lernhäuser vorgesehen. Ein Lernhaus umfasse zwei Klassen und ein bis zwei Kitagruppen, einen Teamraum, Leitungszimmer und gemeinsame Besprechungsräume. Und: „Jede Gruppe hat feste Räume, das war uns ganz wichtig“, erläuterte Schlüter, die auch ihre Erfahrungen als frühere geschäftsführende Leiterin der Stuttgarter Grund- und Werkrealschulen sowie als Gründerin von Stuttgarts erster Gemeinschaftsschule – der Elise-von-König-Schule in Münster – in die Planung einbringen konnte. „Das pädagogische Arbeiten geht weit über gelegentliche Kooperationen hinaus“, sagte sie über die Verzahnung von Kita und Schule. So sollen alle Leitungen und Beteiligten von Kita, Schule, Ganztag, Schulsozialarbeit gleichberechtigt und verantwortlich am Konzept des Bildungshauses arbeiten.

Experimentierzimmer ist geplant

Dass Räume für Inklusion und zum Ausruhen mitgeplant werden, ist für Schlüter selbstverständlich. Auch ein Experimentierzimmer sei geplant, als Raum, wo Erzieherinnen und Lehrerinnen Fragen der Kinder strukturieren und ihnen Lernerfahrungen ermöglichen könnten – zum Beispiel zum Thema Neckar, der ja schließlich nicht weit sei. „Warum schwimmen Schiffe? Warum gehen Menschen unter im Wasser? Wie funktioniert ein Hafen? Wie kann man Knetklumpen zum Schwimmen bringen?“ Auf diese Weise könnten die Kinder beobachten, Theorien aufstellen, experimentieren und vielleicht sogar Gesetze herausfinden – auch die Kooperation mit außerschulischen Partnern gehöre dazu. Und: „So ein großes Haus braucht auch eine eigene Leitung“, betonte Schlüter.

Im Schulbeirat hielt sich die Begeisterung in Grenzen. Das Konzept höre sich zwar gut an, aber lernen die Kinder auch rechnen, schreiben, lesen? Das fragten sich die Stadträtinnen Iris Ripsam (CDU) und Rose von Stein (Freie Wähler). Flankenschutz bekam Schlüter von den geschäftsführenden Schulleitern Michael Hirn (Sonderschulen) und Uwe Heilek (Grundschulen), die sich beide hocherfreut über das Konzept zeigten. „Es gibt Kinder, die mit klassischem Lese-, Schreib- und Rechenunterricht nichts anfangen – weil ihnen Primärerfahrungen fehlen“, so Hirn – zum Beispiel der Neckar. Heilek bestätigte das und ergänzte: Zu den Primärerfahrungen gehöre auch ausreichend Bewegung. Zudem zeigte er sich besorgt, ob es leistbar sei, 450 Kinder in dem engen Zeitkorridor am Mittag in einer 230 Quadratmeter großen Mensa essen zu lassen.

Reicht die Fläche wirklich aus?

Im Schulbeirat wurden Zweifel laut, ob die insgesamt geschrumpfte Fläche ausreicht, um die Kinder ordentlich zu versorgen, in dem nun von 850 statt 450 Wohneinheiten die Rede ist. Bürgermeisterin Fezer betonte indes, dass auch der Sportbereich mit der Einfeld-Turnhalle und der Gymnastikhalle ausreichend abgedeckt sei. Christian Walter (SÖS/Linke-plus) lobte das Bildungskonzept, betonte aber: „Es steht und fällt mit den Rahmenbedingungen.“ Am 20. Februar beschäftigt sich der Technikausschuss des Gemeinderats mit dem Bildungshaus Neckarpark. Dann erwartet Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) eine Entscheidung, denn man sei in Verzug. Sonst würden die Wohnungen vor der Schule fertig. Außerdem warnte er in der letzten Sitzung des Technik-Ausschusses Stadträte der SPD und der Linken, die einen Teilverkauf des Q-10-Geländes für Gewerbebauten ablehnen. Die Bebauung im südlichen Teil müsse 21 Meter hoch werden, damit die Wohnungen im Norden vor Lärm von Straßen und vom Cannstatter Wasen geschützt werden – und damit das Baurechtsamt die Wohnungen frei gebe.