Cannabis-Legalisierung im Bundesrat Warum eine Expertin für die Cannabis-Legalisierung ist

„Für viele war es schwer, einen vernünftigen Umgang mit Cannabis zu erlernen“, sagt Gundula Barsch. Foto: dpa/Annette Riedl

Die teilweise Freigabe von Cannabis ist diese Woche Thema im Bundesrat. Die Soziologin Gundula Barsch erhofft sich davon einen schrumpfenden Schwarzmarkt. Bei der Beratung sieht sie allerdings noch Nachholbedarf.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Gundula Barsch ist Professorin an der Hochschule Merseburg im Bundesland Sachsen-Anhalt. Sie hält die teilweise Legalisierung von Cannabis, die jetzt ansteht, für einen überfälligen Schritt. Sie übt aber auch Kritik an den Gesetzesplänen der Bundesregierung.

 

Frau Barsch, das Gesetz zur Teilfreigabe von Cannabis tritt bald in Kraft. Was ist aus Ihrer Sicht gut daran?

Das Gesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Politik erkennt damit endlich die Realität an. Epidemiologischen Studien zufolge gibt es in Deutschland rund vier Millionen Cannabis-Konsumenten, die sich bis heute vor Strafverfolgung fürchten müssen. Denn Beschaffung und Konsum von Cannabis werden bislang ziemlich hart bestraft, was sich sehr negativ auf die Zukunftsperspektiven junger Leute auswirken kann. Wenn man die Strafen etwa mit denen für sexuelle Übergriffe vergleicht, sind sie oft unverhältnismäßig streng. Das Gesetz kann zudem helfen, den Schwarzmarkt zurückzudrängen.


Und was gefällt Ihnen nicht so gut?

Ich hätte mir eine bessere Vorbereitung gewünscht. Durch die Kriminalisierung von Cannabis war es für viele Menschen schwer, einen vernünftigen Umgang mit dieser Droge zu erlernen, der verhindert, dass man sich selbst und andere gefährdet. So ein Prozess braucht Zeit. Sinnvoller wäre es daher gewesen, schon im Vorfeld Strukturen für eine unabhängige Beratung aufzubauen. Nun bleibt erst mal vieles sich selbst überlassen.

Wie könnte so eine Beratung konkret aussehen?

Sie könnte beispielsweise bei der Jugendhilfe angesiedelt sein. Doch die ist darauf überhaupt nicht vorbereitet. Ich habe in meiner Arbeit viel mit Jugendämtern zu tun. Und die sagen, dass sie dafür weder das Personal noch das Geld haben. Eine Möglichkeit wäre auch gewesen, den Cannabis-Clubs zertifizierte Suchtberater an die Seite zu stellen. Doch bislang soll es in diesen Clubs in erster Linie um den Cannabis-Anbau gehen.

Gundula Barsch Foto: HS Merseburg

Das Einstiegsalter für Cannabis liegt zwischen 14 und 16 Jahren. Bundesgesundheitsminister Lauterbach hofft, dass eine teilweise Legalisierung die Droge weniger attraktiv für Jugendliche macht. Ist das realistisch?

Am Cannabis-Konsum der Jugendlichen dürfte das Gesetz nicht viel ändern. Ein Zurückdrängen des Schwarzmarktes würde aber die Risiken für junge Menschen verringern. Dort werden zum Beispiel synthetische Cannabinoide angeboten, die bereits zu Todesfällen geführt haben. Zudem sind infolge des illegalen Handels mehr hochpotente Cannabis-Sorten auf dem Markt.

Wird der Konsum durch eine leichtere Verfügbarkeit nicht zusätzlich angeheizt?

Zeitweise kann das passieren. In Kalifornien gab es nach der Legalisierung zunächst einen Anstieg, vor allem in der Altersgruppe zwischen 25 und 35. Das heißt aber nicht, dass die alle dabeibleiben. Wir wissen, dass Menschen, ihren Drogenkonsum eher reduzieren, wenn sie sich im Beruf etabliert haben und in festen sozialen Strukturen leben. Und für die unter 18-Jährigen soll Cannabis in Deutschland ja weiterhin verboten bleiben. Ich könnte mir daher vorstellen, dass viele Jüngere lieber bis zur Volljährigkeit warten, ehe sie sie sich ihre Biografie durch ein Strafverfahren verderben.

Neurowissenschaftler sehen aber auch noch bei 18- bis 25-Jährigen hohe Risiken für bleibende Schädigungen des Gehirns.

Das mit den Hirnschäden ist aus meiner Sicht ein Totschlagargument, das aber nicht richtig zieht. Bei den Studien, die es dazu gibt, kann man oft nicht erkennen, was ein echter Langzeiteffekt ist und was sich durch eine Abstinenz wieder zurückbildet. Es ist also nicht unbedingt etwas, was man dann ein Leben lang mit sich rumschleppt.

Und wie steht es um die schädlichen Folgen des Cannabis-Rauchens für die Lunge?

Das ist in der Tat ein wichtiger Punkt. Man weiß ja eigentlich, dass das Verdampfen von Cannabis weniger schädlich als das Rauchen ist. Aber das wird in dem Gesetzentwurf nicht in besonderer Weise hervorgehoben. Wichtig ist aber auch, dass Eltern ihre Cannabis-Vorräte so aufbewahren, dass die Kinder nicht drankommen. Und natürlich sollten sie nicht kiffen, wenn die Kinder danebensitzen. Zu einer Cannabis-Kultur gehört eben auch, dass Eltern bei solchen Dingen mitdenken.

Wie geht es nach einer Cannabis- Freigabe weiter?

Nachdem die neuen Regeln in Kraft getreten sind, wird man sicher noch an einigen Stellen nachjustieren müssen. Es wird auch einige Zeit dauern, bis sich vernünftige Konsummuster entwickeln und durchsetzen können. Wir brauchen auch bei Cannabis eine Art Drogengebrauchskultur, wie es sie bei Alkohol schon lange gibt. Dazu gehört auch eine gegenseitige soziale Kontrolle. Das kann zum Beispiel jemand sein, der sagt: Mach mal langsam, du hast heute schon genug gekifft.

Expertin für Cannabis

Position
Gundula Barsch (Jahrgang 1958) ist Professorin im Lehrgebiet Drogen und soziale Arbeit an der Hochschule Merseburg. Sie ist Mitglied im Schildower Kreis, der gegen die Drogenprohibition argumentiert. Zudem gehört sie dem wissenschaftlichen Beirat des Branchenverbandes Cannabiswirtschaft an.

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