Seit im US-Bundesstaat Colorado das Kiffen erlaubt ist, boomt der Cannabis-Tourismus. Besonders beliebt sind organisierte Rundfahrten, inklusive Joint und Bierdose. Doch das ist noch nicht alles.

Denver - Die Fahrt im Cadillac startet mit einem kräftigen Zug – nicht an der Wasserpfeife, sondern an der ausgegebener Wasserflasche. „Vergesst nicht, zwischendurch immer etwas zu trinken“, sagt Timothy Vee, ein groß gewachsener Mittvierziger, der früher als Restaurant-Manager gearbeitet hat. Heute betreibt Vee ein anderes Geschäft. Als Inhaber von „Colorado Highlife Tours“ kutschiert er Marihuana-liebende Touristen in einer Luxuslimousine durch Denver.

 

Es ist eng im Cadillac. Obwohl das Gefährt zwölf Meter lang ist, stoßen die Insassen mit dem Kopf gegen die Decke. Die Passagiere – fünf Männer und eine Frau – sitzen sich Knie an Knie gegenüber. Doch das stört an diesem Nachmittag niemanden. Schon fünf Minuten nach der Abfahrt wabert dichter Rauch durch den Innenraum, ein Joint macht die Runde.

Der Staat verdient durch die Cannabis-Steuer kräftig mit

Noch vor wenigen Jahren wären Ausflüge wie dieser undenkbar gewesen. Eine Kontrolle durch die Polizei, schon hätten die Teilnehmer nicht nur ihren Joint, sondern auch jede Menge Geld verloren, wenn nicht sogar ihre Freiheit. Doch seit einiger Zeit dreht sich in den USA der Wind, was den Umgang mit Marihuana angeht. Immer mehr Bundesstaaten wenden sich vom Totalverbot ab und erlauben – zumindest in kleinen Mengen – den privaten Konsum.

Am liberalsten geht es in Colorado zu, wo seit 2012 nicht nur zu medizinischen Zwecken, sondern auch zum privaten Vergnügen gekifft werden darf. Einheimische wie Touristen können sich in offiziellen Abgabestellen, den sogenannten Dispensaries, mit allem eindecken, was das Kifferherz begehrt. Der Staat verdient durch die Steuereinnahmen kräftig mit, agiert also gewissermaßen als Dealer. Allein im Jahre 2015 hat Colorado rund 135 Millionen Dollar an Marihuana-Steuern eingenommen. Ein Großteil des Geldes fließt in Schulen, aber auch in Kampagnen gegen Drogenmissbrauch – und in Entzugskliniken.

Für viele Amerikaner ist Colorado das gelobte Land. Die Nachbarstaaten Nebraska und Oklahoma beklagen, dass massenhaft „Gras“ über die innerstaatlichen Grenzen geschmuggelt werde. Bisher ohne Erfolg: Der Oberste Gerichtshof verwarf eine Beschwerde, die gegen Colorados Marihuana-Gesetz eingereicht worden war.

Cannabis-Plantage sieht aus wie im Polizeibericht, ist aber legal

Im Cadillac erzählen sich die Mitfahrer ihre Geschichten. „Zu Hause kann man höchstens in einer stillen Ecke rauchen“, sagt die 21-jährige Stacey aus Wisconsin. Ihr Freund Ken (23) erzählt, er sei in der Highschool das erste Mal high gewesen: „Das war ein wahnsinniges Gefühl.“ Als die Limousine ihren ersten Stopp einlegt, fällt einem jungen Mann mit Jamaika-Mütze, der sich Angel nennt, das Aussteigen schon etwas schwer.

Bei „3D“, einer der vielen Cannabis-Plantagen in Denver, können alle den Entstehungsprozess ihrer Droge beobachten. Hinter dickem Glas sind Hunderte von Pflanzen zu sehen, die unter gelblichem Licht gedeihen – ein Anblick wie aus einem Polizeibericht, nur dass er hier legal ist. Zurück im Cadillac unterhalten sich alle über ihre Lieblingsprodukte. Die Gespräche drehen sich um Haschkekse, Schmerzlinderung und Cannabis-Farmer, die ihre Pflanzen mit verbotenen Pestiziden besprühen.

Marihuana zur Entspannung nach einem harten Arbeitstag

In einem Außenbezirk von Denver kommt der Cadillac erneut zum Stehen, diesmal bei einer Abgabestelle. Innen wirkt die „Dispensary“ wie eine Mischung aus Tante-Emma-Laden und Apotheke. Im Regal reihen sich Glasbehälter, ein unverkennbarer Geruch liegt in der Luft. Hinter der Theke plaudert Eigentümer Justin Hinderson mit seinen Kunden. „Das Arbeitsleben in den USA ist so hart, da braucht man ab und zu ein Ventil“, sagt er und klagt über bürokratische Hürden, die seine Branche behinderten. „Weil Cannabis auf Bundesebene illegal ist, dürfen wir kein Konto eröffnen“, erzählt der Geschäftsmann. Einmal im Jahr müsse er deshalb bis zu 60 000 Dollar an Steuern zum Finanzamt bringen – in bar.

Nach drei Stunden hält die Limousine wieder in der Innenstadt von Denver. „Das ist fast wie Amsterdam“, sagt Angel, als er im Zeitlupentempo aussteigt. „Am besten, ihr raucht das Zeug ziemlich schnell auf“, rät Tourguide Vee, denn jenseits von Colorado ist Marihuana nach wie vor verboten. Wobei es für vergessliche Kiffer eine Notlösung gebe. „Am Flughafen stehen Amnestie-Boxen. Wenn ihr euer Zeug bis dahin immer noch bei euch habt, ist das eure letzte Chance.“

Regeln im Kifferparadies

Auch wenn gelegentlich der Eindruck aufkommt: In Colorado ist beim Marihuanakonsum längst nicht alles erlaubt. Wer über 21 Jahre alt ist, darf in Colorado bis zu 28 Gramm Marihuana mit sich führen. Geraucht werden darf in geschlossenen Privaträumen. Ähnlich wie bei Alkohol ist der Marihuana-Konsum in der Öffentlichkeit nicht erlaubt. Wer auf der Straße kifft, muss mit einem Bußgeld rechnen. Auf Bundesebene ist die Droge nach wie vor illegal. Auch in Colorado ist das Kiffen daher an bestimmten Orten verboten, zum Beispiel in Nationalparks oder am Flughafen. Auto fahren ist ebenfalls tabu.