Die Klage des Leiters von Demonstrationen für die Cannabisfreigabe gegen die städtischen Versammlungsauflagen vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht führt zu einem Vergleich.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Laut einer aktuellen Umfrage spaltet die geplante Legalisierung von Cannabis Deutschland. Die von der „Augsburger Allgemeinen“ beim Meinungsforschungsinstitut Civey in Auftrag gegebene und am Montag veröffentlichte Erhebung ergab, dass 43 Prozent die Idee der künftigen Ampelkoalition einer „kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften“ unterstützen. Genau so viele lehnen sie ab. Dass dieses polarisierende Thema dennoch Raum für Kompromiss, Verständigung und Einigung lässt, hat am Dienstag ein Termin am Stuttgarter Verwaltungsgericht gezeigt.

 

Für die zu erwartende Freigabe setzt sich Christian Brugger-Burg ein. Seit 2016 organisiert er im Namen des „Cannabis Social Club Stuttgart“ zweimal im Jahr Demonstrationen in der Landeshauptstadt. Und steht nun vor dem Verwaltungsgericht – und zwar in der Rolle als Kläger. In Saal 4 streitet er gegen die Auflagen der Stadt, für die Stefan Praegert als Leiter der zuständigen Versammlungsbehörde erschienen ist.

Es gilt: Demonstrationen dürfen provozieren

Brugger-Burg fühlt sich in der Durchführung seiner Veranstaltungen, an der normalerweise 100 bis 150 Personen teilnehmen, durch das Vorgehen der Polizei regelmäßig unrechtmäßig behindert. „Alles, was nach Cannabis aussieht, für Cannabis gehalten werden könnte oder nach Konsum von Cannabis aussieht, ist untersagt, selbst wenn diese Dinge legal sind.“ Damit sind beispielsweise frei im Verkauf erhältliche Wasserpfeifen oder lange Zigarettenpapierchen gemeint, mit denen sich sowohl handelsüblicher Tabak als auch Cannabis konsumieren lässt. Mit diesen Utensilien solle anschaulich für die Cannabisfreigabe geworben werden, so Brugger-Burg, was aber unterbunden werde, unabhängig davon, welcher Inhalt in einem Zigarettenpapier sei, oder ob es sich um einen leeren Fakejoint handele.

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In diesem Zusammenhang sind dem Richter Lars Dittrich zwei Feststellungen wichtig. „Demonstrationen dürfen provozieren und auch mal übers Ziel hinausschießen. Zugleich ist die Versammlungsauflage wie ein Vertrag, der für beide Seiten bindend ist.“ Der zielorientiert und an der Sache interessiert auftretende Richter stößt mit dem Vorschlag auf eine Umformulierung der Auflagen bei beiden respektvoll miteinander umgehenden Seiten auf Zustimmung. Als Zusatz zum derzeit geltenden Betäubungsmittelgesetz hieß es in der städtischen Auflage bisher, dass die „Mitnahme von entsprechend verwechslungsfähigen Stoffen“ nicht erlaubt ist. Das Wort „Mitnahme“ wird gestrichen und fortan durch „Abgabe und Konsum“ ersetzt. Außerdem ist dem Veranstalter fortan gestattet, „nicht keimfähigen Hanfsamen“ zu verteilen, der aber der Behörde zuvor zur Prüfung vorgelegt werden muss. Im nach zweieinhalb Stunden mit einem Vergleich endenden Verfahren ist aber noch nicht endgültig geklärt, wie für die Polizei erkennbar wird, welcher Demonstrant aus medizinischen Gründen das vor allem in der Schmerzbehandlung eingesetzte Cannabis konsumieren darf.